Tokio (Japan) – Erdartige oder sogar erdähnliche Gesteinsplaneten könnten im Universum deutlich häufiger vorkommen als bislang angenommen. Das vermutet zumindest ein neues Entstehungsmodell, laut dem junge Planetensysteme durch die Strahlung einer nahegelegenen Supernova mit entscheidenden radioaktiven Stoffen „gebadet“ werden. Diese sogenannte „Supernova-Immersion“ könnte ein weit verbreiteter Prozess in der Milchstraße sein.

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Planeten wie unsere Erde oder der Mars entstehen aus sogenannten Planetesimalen – frühen Bausteinen aus Gestein und Eis. Damit aus diesen Körpern trockene, felsige Welten entstehen können, müssen sie in einer frühen Phase stark erhitzt werden, sodass flüchtige Stoffe wie Wasser weitgehend verloren gehen. Die dafür nötige Wärme stammt überwiegend aus dem Zerfall kurzlebiger radioaktiver Isotope, insbesondere Aluminium-26. Analysen von Meteoriten, die als Archive der Frühzeit des Sonnensystems gelten, zeigen, dass diese kurzlebigen Radionuklide damals in großer Menge vorhanden waren.
Bisherige Modelle gingen davon aus, dass diese Isotope durch eine nahe Supernova direkt in die planetenbildende Staub- und Gasscheibe eingebracht wurden. Doch diese Erklärungen hatten ein grundlegendes Problem: Um die in Meteoriten gemessenen Mengen zu erreichen, hätte die Supernova extrem nah stattfinden müssen – so nah, dass sie die empfindliche protoplanetare Scheibe vermutlich zerstört hätte. Dieses Spannungsfeld zwischen notwendiger Nähe und gleichzeitiger Überlebensfähigkeit des Systems blieb bislang ungelöst.
Neues Modell sieht Supernovae als Erdenmacher
Im Fachjournal „Science Advances“ (DOI: 10.1126/sciadv.adx7892) stellt das Forschungsteam um Ryo Sawada von der Universität Tokio nun ein neues Modell der „Immersion“ vor, das genau dieses Problem umgehen soll. In ihren Simulationen gehen die Forschenden von einer Supernova in etwa 3,2 Lichtjahren Entfernung aus. Diese Distanz gilt als ausreichend groß, um das Planetensystem nicht zu zerstören, aber nah genug, um intensive physikalische Effekte zu erzeugen. Beim Explodieren des Sterns entsteht eine starke Stoßwelle, die Teilchen – vor allem Protonen – auf hohe Energien beschleunigt und sie als kosmische Strahlung in der Umgebung verteilt.
Nach dem neuen Modell werden die kurzlebigen Radionuklide auf zwei Wegen in das entstehende Planetensystem eingebracht: Ein Teil der Stoffe, darunter Eisen-60, gelangt direkt in Form feiner Staubpartikel aus der Supernova in die Scheibe. Der zweite, entscheidende Mechanismus ist jedoch indirekt: Die hochenergetischen kosmischen Strahlen treffen auf stabile Materialien in der Scheibe und lösen dort Kernreaktionen aus, bei denen neue Radionuklide wie Aluminium-26 erst entstehen.
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Anhand ihrer Modellrechnungen zeigen die Forschenden, dass diese Kombination aus direkter Einbringung und kosmischer Strahlenproduktion genau jene Mengen radioaktiver Stoffe erzeugt, die in Meteoriten nachgewiesen wurden.
Konsequenzen nicht nur für unser Sonnensystem
Damit liefert das Immersionsmodell nicht nur erstmals eine physikalisch konsistente Erklärung für die frühe thermische Entwicklung des Sonnensystems, ohne die bekannten Widersprüche früherer Supernova-Szenarien; die Konsequenzen dieser Ergebnisse reichen weit über unser eigenes Sonnensystem hinaus.
Aluminium-26 spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung des Wassergehalts junger Planeten. Ist davon viel vorhanden, erhitzen sich die Planetesimale stark und verlieren einen Großteil ihres Wassers. Die Studie kommt daher zu dem Schluss, dass trockene, felsige und potenziell erdähnliche Planeten unter solchen Bedingungen bevorzugt entstehen.
Auf Grundlage ihrer Modelle schätzen die Autoren, dass etwa 10 bis 50 Prozent aller sonnenähnlichen Sterne in der Milchstraße Planetenscheiben mit vergleichbaren Radionuklid-Mengen hervorgebracht haben könnten. Das würde bedeuten, dass erdähnliche Gesteinsplaneten nicht die Ausnahme, sondern möglicherweise ein häufiges Ergebnis planetarer Evolution sind.
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Studie: 100-mal mehr erdartige Planeten mit flüssigem Wasser als bisher geschätzt 15. Juli 2023
Recherchequelle: University of Tokyo, Science Advances
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