Washington (USA) – Trotz Bedingungen, die eigentlich jede Atmosphäre zerstören sollten, liefern neuste Beobachtungen der extrem heißen Super-Erde TOI-51b deutliche Hinweise auf eine ebenso stabile wie dichte Gashülle, die über einem globalen Magma-Ozean liegt.

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Wie das Team um Johanna Teske vom Carnegie Science Earth and Planets Laboratory vorab via ArXiv.org und aktuell im Fachjournal “The Astrophysical Journal Letters” (DOI: 10.3847/2041-8213/ae0a4c) berichtet, haben sie den rund 275 Lichtjahre entfernten Planeten „TOI-561 b“ mit dem James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) über 37 Stunden lang ins Visier genommen, in dem TOI-561 b fast vier komplette Umläufe durchlief.
Der Planet besitzt etwa den 1,4-fachen Erdradius und umkreist seinen Stern in weniger als elf Stunden. Das bringt ihn in die Kategorie der „ultra-short period“-Planeten, also Planeten mit extrem engen Umlaufbahnen. Obwohl der Zentralstern etwas kühler ist als unsere Sonne, liegt die Distanz des Planeten bei weniger als einer Million Meilen – rund einem Vierzigstel der Merkur-Sonnen-Distanz. „TOI-561 b“ ist damit nahezu sicher an seinen Stern gezeitengebunden: Eine Seite ist dauerhaft der Sternenstrahlung ausgesetzt und erreicht so Temperaturen weit oberhalb des Schmelzpunkts gewöhnlicher Gesteine.
Auffällig ist die ungewöhnlich geringe Dichte des Planeten. Die Messungen passen nicht zu einem Aufbau, wie man ihn von einer typischen felsigen Super-Erde erwarten würde. Die Forschenden m Teske sprechen denn auch von einer „anomal niedrigeren Dichte“, die selbst nach Abzug aller bekannten Unsicherheiten nicht mit einer erdähnlichen Zusammensetzung vereinbar sei. Hinzu kommt, dass „TOI-561 b“ einen alten und eisenarmen Stern umkreist – rund doppelt so alt wie die Sonne – in der sogenannten „thick disk“ der Milchstraße, einem Umfeld mit deutlich anderer Elementverteilung als im Sonnensystem. Die Forschenden halten es daher für möglich, dass „TOI-561 b“ stellvertretend für Planeten steht, die in einer frühen, chemisch andersartigen Phase des Universums entstanden sind.
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Eine Erklärung für die geringe Dichte wäre eine planetare Struktur mit kleinem Eisenkern und einem Mantel aus relativ leichten Gesteinen. Doch die neuen Beobachtungen sprechen eher für eine dichte Atmosphäre, die den Planeten größer erscheinen lässt und gleichzeitig seine tagseitige Temperatur beeinflusst. Mitautorin Anjali Piette von der Universität Birmingham erklärt, dass nur eine dicke, an flüchtigen Anteilen reiche Atmosphäre alle Daten schlüssig zusammenführt. Starke Winde könnten Hitze auf die Nachtseite transportieren, während Gase wie Wasserdampf bestimmte infrarote Wellenlängen absorbieren. Reflektierende Silikatwolken könnten zusätzlich kühlend wirken.
Das JWST-Team nutzte das NIRSpec-Instrument, um die Temperatur der Tagseite anhand ihrer Strahlungsleistung zu bestimmen. Dabei wird gemessen, wie stark das System aus Stern und Planet dunkler wird, sobald der Planet hinter seinem Stern verschwindet. Wäre TOI-561 b eine atmosphärenlose Felskugel, müsste seine Tagseite etwa 2.700 °C erreichen.
Tatsächlich lag der Wert jedoch nur bei rund 1.800 °C. Das ist extrem heiß, aber deutlich kühler als erwartet – ein Hinweis darauf, dass Wärme durch eine Atmosphäre teilweise abtransportiert wird.
Alternativ betrachtete das Team ein Szenario, in dem ein dünner Gesteinsdampf über dem Magma-Ozean liegt. Doch allein dieser Effekt reicht nicht aus, um die beobachtete Temperaturabsenkung zu erklären. Ohne Atmosphäre würde der Magma-Ozean die Nachtseite kaum beeinflussen; diese wäre sofort erstarrt und thermisch isoliert. Auch die interne Zirkulation des geschmolzenen Mantels kann die Differenz nicht alleine erklären.
Ein mögliches Schlüsselstück liefert die Idee eines chemischen Gleichgewichts zwischen Magma-Ozean und Atmosphäre. Tim Lichtenberg von der Universität Groningen beschreibt das System als „nassen Lavaball“: Gase entweichen aus dem flüssigen Inneren in die Atmosphäre, werden aber teilweise wieder in den Planeten zurückgeführt. Dafür müsste der Planet stark volatil-reich sein – deutlich stärker als die Erde. Nur dann lassen sich die Messwerte konsistent erklären.
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Recherchequelle: Universität of Birmingham, NASA
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