Comstock (USA) – Erstmals konnten die monumentalen Wandmalereien entlang des Pecos River in Texas und Nordmexiko genau datiert werden. Wie sich zeigt, entstanden die ersten Werke vor 6.000 Jahren, doch setzte sich die Tradition über zwei weitere Jahrtausende fort. Die Bilderwelt der Pecos-River-Wandbilder offenbart zudem einen einmaligen Einblick in die damaligen Kosmologien der Künstler.

Quelle: Steelman et al., Science Advances 11, eadx7205; Carolyn E. Boyd (Illus.)
Wie Karen L. Steelmann vom Shumla Archaeological Research & Education Center und Carlyn Boyd und J. Phil Dering von der Texas State University aktuell im Fachjournal „Science Advances“ (DOI: 10.1126/sciadv.adx7205) erläutern, zählen die Felsenkunstwerke zu den am längsten kontinuierlich gepflegten künstlerischen Ausdrucksformen der amerikanischen Kontinente.
Die Pecos-River-Felsenbilder befinden sich in Kalksteinhöhlen und zeigen menschliche Figuren von bis zu acht Metern Höhe, Tiere wie Hirsche und Schlangen sowie komplexe, abstrakte Symbole. Trotz ihres Bekanntheitsgrades war bislang unklar, wie alt diese Kunstwerke tatsächlich sind oder über welche Zeiträume sie geschaffen wurden.

Quelle: US Geological Survey, National Geospatial Program / Steelman et al., Science Advances 11
Die Datierung von Felskunst ist grundsätzlich schwierig, da Radiokohlenstoffmethoden organisches Material erfordern – etwa Knochen oder Holz. Die Pigmente der Pecos-Malereien bestehen jedoch größtenteils aus anorganischen Mineralstoffen, darunter Eisenoxide für Rot- und Gelbtöne. Um dennoch präzise Altersangaben zu erhalten, kombinierten die Forschenden zwei fortschrittliche Methoden: Zunächst wurde mittels Plasmaspaltung organischer Kohlenstoff aus winzigen Mengen des Farbstoffs extrahiert, der vermutlich aus Bindemitteln wie tierischen Fetten oder Pflanzenmaterial stammte. Anschließend ermöglichte die Analyse mittels Beschleuniger-Massenspektrometrie (AMS) eine direkte Datierung.
Die Ergebnisse zeigten, dass die ersten Malereien um 3815 v. Chr. entstanden, die letzten um etwa 900 n. Chr. Damit erstreckte sich die künstlerische Tradition über rund 4.000 Jahre – rechnerisch etwa 175 Generationen.
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Die Analyseergebnisse offenbaren zudem, dass Stil, Farbwahl und Maltechniken über Jahrtausende hinweg bemerkenswert konstant blieben. Die Analyse der Farbschichten legt nahe, dass jede der großen Wandmalereien als geplantes Gesamtkunstwerk entstand, nicht als zufällige Ergänzung über die Zeit. Die wiederkehrenden Symbole belegen, dass die zentralen spirituellen Botschaften unverändert weitergegeben wurden.
Die Forschenden vermuten, dass die dargestellten metaphysischen Konzepte die religiösen Vorstellungen mesoamerikanischer Agrargesellschaften wie der Azteken und Mayas beeinflusst haben könnten. „Die Kontinuität in Stil, Motiven, Farben, Herstellungstechnik und ontologischem Charakter der Bilder gewährleistete die Treue in der Überlieferung dieser komplexen Metaphysik“, so die Forschenden.
Mit den nun gezeigten Datierungsmethode eröffnet die Studie auch neue Möglichkeiten für die Datierung von Felskunst weltweit. Die Kombination aus präziser Kohlenstoffextraktion und AMS-Analyse könnte künftig helfen, viele weitere prähistorische Kunstwerke zuverlässig zu datieren.
Die Forschung erweitert zudem unser Verständnis jahrtausendelanger künstlerischer Traditionen in Nordamerika erheblich. Sie zeigt, dass die Pecos-River-Wandmalereien nicht nur künstlerische Meisterwerke waren, sondern auch komplexe kulturelle und spirituelle Informationen über viele Generationen bewahrten.
Die Malereien selbst sind sowohl inhaltlich als auch formal beeindruckend: Menschliche Figuren tragen Waffen, Tiersymbole sind detailliert ausgearbeitet, und abstrakte Symbole wie „Power-Bundles“ tauchen über Jahrtausende hinweg immer wieder auf. Ein Beispiel ist ein Flügelwesen mit einem solchen „Energie-Bündel“, datiert auf etwa 1.000 v. Chr., während andere Figuren, wie anthropomorphe Wesen mit Geweih, noch im 1. Jahrtausend n. Chr. entstanden.

Quelle: Steelman et al., Science Advances 11, eadx7205; Carolyn E. Boyd (Illus.)
Die Studienautoren betonen, dass diese Kontinuität nicht zufällig war, sondern auf einem bewussten kulturellen und spirituellen Überlieferungsprozess beruhte. Die Malereien seien damit mehr als dekorative Kunstwerke: Sie dokumentieren eine jahrtausendelange, stabile Weltanschauung und zeigen, wie frühe Gesellschaften Nordamerikas ihre metaphysischen Ideen über Generationen hinweg festhielten.
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Recherchequelle: Science Advances
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