Mondentstehung: Theia und frühe Erde waren Nachbarn

Geschrieben am 21.11.2025
von Andreas Müller

Göttingen (Deutschland) – Durch die Kollision der noch jungen Erde mit dem etwa Mars-großen Protoplaneten Theia entstand – so die derzeitige Lehrmeinung – vor rund 4,5 Milliarden Jahren nicht nur der Mond, sondern auch die heutige Zusammensetzung unseres Planeten. Doch woher kam Theia und um was für eine Art von Planeten handelte es sich? Diesen Fragen widmete sich nun eine neue Studie.

Künstlerische Darstellung des Zusammenstoßes der frühen Erde mit Theia (Illu.)Copyright: MPS / Mark A. Garlick
Künstlerische Darstellung des Zusammenstoßes der frühen Erde mit Theia (Illu.)
Copyright: MPS / Mark A. Garlick

Die gigantische Kollision der beiden Planeten gilt als das folgenreichste Ereignis der Erdgeschichte: Er veränderte Größe, Dichte und Zusammensetzung unseres Planeten und schleuderte die Gesteinsmassen ins All, aus denen sich später der Mond formte. Theia selbst wurde vollständig zerstört. Was blieb, sind chemische Spuren im heutigen Erd- und Mondgestein.

Tatsächlich ist die Frage nach Theias Herkunft von zentraler Bedeutung, weil sie Rückschlüsse darauf erlaubt, wie häufig solche Mega-Kollisionen in Planetensystemen vorkommen und wie typisch die Entstehung von Erde und Mond wirklich ist.

Wie das Team um Timo Hopp vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) und Kollegen um Nicolas Dauphas von der University of Chicago aktuell im Fachjournal „Science“ (DOI: 10.1126/science.ado0623) berichten, haben sie erstmals präzise Hinweise darauf gefunden, wo im damals ebenfalls noch jungen Sonnensystem Theia entstand.

Isotopen weisen den Weg

In ihrer Untersuchung konnten die Forschenden erstmals das Verhältnis verschiedener Eisenisotope in 15 Erdgesteinsproben und sechs Mondproben der Apollo-Missionen mit bislang unerreichter Präzision bestimmen. Eisenisotope sind besonders aussagekräftig, weil ihre Verteilung im frühen Sonnensystem ortsabhängig war: Je näher an der Sonne, desto deutlicher verschieben sich die Verhältnisse.

Wie frühere Untersuchungen an Chrom, Kalzium, Titan und Zirkonium zeigen auch die neuen Messungen: Erde und Mond sind isotopisch praktisch identisch. Das ist seit Jahren bekannt. Es ist gerade diese Ähnlichkeit, die eine direkte Rekonstruktion von Theias Herkunft bislang schwierig macht. Je nach Kollisionsmodell könnte der Mond fast komplett aus Theia bestehen, überwiegend aus Erdmaterial oder aus einer untrennbaren Mischung.

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Um trotzdem weiterzukommen, wendeten die Forschenden ein systematisches „planetarisches Reverse Engineering“, also eine systematische Rückwärtsenwickelung an. Sie simulierten, welche Kombinationen aus Theias Größe, Zusammensetzung und der Beschaffenheit der frühen Erde zu den heute gemessenen Isotopenmustern führen könnten. Einbezogen wurden neben Eisen auch Chrom, Molybdän und Zirkonium, also Elemente, die unterschiedliche Phasen der Planetenbildung abbilden.

Ein wichtiger Faktor: Bereits vor dem Einschlag hatte die frühe Erde ihren metallischen Kern ausgebildet. Elemente wie Eisen und Molybdän waren dabei fast vollständig in den Kern abgesunken. Das bedeutet: Das Eisen, das heute im Erdmantel steckt, muss überwiegend nach der Kernbildung zugeführt worden sein – wahrscheinlich durch Theia. Andere Elemente wie Zirkonium dokumentieren hingegen die gesamte Entstehungsgeschichte der Erde.

Einstige Nachbarn

Durch diesen multiplen Abgleich konnten zahlreiche theoretisch mögliche Theia-Szenarien ausgeschlossen werden. Das Bild, das übrigbleibt, ist überraschend eindeutig: Theia stammte wie die Erde aus dem inneren Sonnensystem, allerdings aus einem Bereich, der der Sonne näher lag als die spätere und heutige Erdumlaufbahn.

Während sich die Zusammensetzung der frühen Erde weitgehend durch bekannte Meteoritenklassen nachbilden lässt, passt keine dieser Klassen präzise zu Theia. Das deutet darauf hin, dass Theia neben bekanntem auch bisher unbekanntes Baumaterial enthielt, Material, das im sonnennäheren Bereich jenseits der heute verfügbaren Meteoritendaten entstanden sein muss.

Die Forschenden schlussfolgern daher, dass Theia kein exotischer Eindringling aus dem äußeren Sonnensystem, sondern ein inneres Gesteinsobjekt war, dessen chemische Signatur den Ursprung des Planeten weiter in Richtung Sonne verortet als die Erde.

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Rechercherquelle: MPS

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