Tokyo (Japan) – Eine neue Studie eines internationalen Forscherteams unter Leitung der Universität Tokio sorgt für Aufsehen: Auf dem Asteroiden, aus dem der heutige erdnahe Körper Ryugu hervorging, floss noch mehr als eine Milliarde Jahre nach seiner Entstehung flüssiges Wasser. Dieses Ergebnis stellt langjährige Annahmen über die zeitliche Begrenzung von Wasseraktivität auf kleinen Körpern des Sonnensystems infrage – und könnte weitreichende Folgen für unser Verständnis der Entstehung der Erde haben.

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Wie das Team um den Planetenwissenschaftler Professor Tsuyoshi Iizuka von der University of Tokyo aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-025-09483-0) berichtet, bilden winzige Gesteinsfragmente, die 2020 von der japanischen Raumsonde Hayabusa2 zur Erde gebracht wurden, die Grundlage der Entdeckung. Die Mission war 2018 am Asteroiden gelandet, hatte dort Messungen durchgeführt und Materialproben entnommen. Dank modernster Analysemethoden konnten nun überraschende Details über die geochemische Entwicklung von Ryugu rekonstruiert werden.
Isotopen als geologischer Zeitmesser
Im Fokus der nun veröffentlichten Analyse stand das Verhältnis der Isotope Lutetium (Lu) und Hafnium (Hf). Deren Zerfallssystem kann als eine Art geologischer Zeitmesser genutzt werden. Normalerweise lassen sich aus den Mengenverhältnissen Rückschlüsse auf das Alter und die thermische Entwicklung eines Körpers ziehen. Doch bei den Ryugu-Proben zeigte sich ein stark erhöhtes Verhältnis von ^176Hf zu ^176Lu – ein Wert, der mit den bisherigen Modellen nicht in Einklang zu bringen war. Die Forscher schlossen daraus, dass später Flüssigkeitsfluss Lutetium aus den Gesteinen auswusch und so das Isotopenverhältnis veränderte.
„Wir gingen davon aus, dass Ryugus chemische Signatur mit bekannten Meteoriten übereinstimmen würde“, erklärt Iizuka. „Doch die Ergebnisse waren völlig anders. Nach sorgfältiger Prüfung konnten wir nur den Schluss ziehen, dass hier tatsächlich noch lange nach der Entstehung Wasser durch das Gestein geflossen ist.“
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Als Auslöser vermuten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen einen Einschlag auf dem Mutterkörper Ryugus. „Dabei könnte das Gestein zertrümmert und tief liegendes Eis geschmolzen worden sein. Flüssiges Wasser hätte anschließend Risse und Poren durchzogen, bevor es wieder gefror. Ein solcher Vorgang hätte nicht nur die beobachteten Isotopenverhältnisse erzeugt, sondern auch den Zerfall des Mutterkörpers eingeleitet, aus dem letztlich der heutige Asteroid hervorging.“
Bisherige Modelle gingen davon aus, dass Wasser auf Asteroiden nur sehr früh, innerhalb der ersten paar Millionen Jahren nach der Entstehung des Sonnensystems, aktiv war. Ryugu zeigt nun, dass Eis über mehr als eine Milliarde Jahre gespeichert bleiben und noch sehr viel später mobilisiert werden konnte. „Damit verändert sich auch das Bild von den Wasservorräten, die durch solche Körper zur Erde gelangten.“
Urzeitlicher kosmischer Wasserlieferant
Laut den Forschenden könnten kohlenstoffreiche Asteroiden wie Ryugu der jungen Erde auf diese Weise zwei- bis dreimal mehr Wasser geliefert haben, als bisher angenommen. Dies hätte entscheidende Auswirkungen auf die Entstehung der Ozeane und möglicherweise auch auf die frühe Atmosphäre gehabt. „Die Vorstellung, dass die Bausteine der Erde viel wasserreicher waren als bislang gedacht, zwingt uns, die Ausgangsbedingungen für die Entstehung unseres Planeten neu zu überdenken“, betont Iizuka.
Die Hinweise auf Wasseraktivität stammen aus relativ jungen Sedimentgesteinen des Asteroiden. Auch hier hatten Forscherinnen und Forscher bislang erwartet, Spuren urzeitlichen Lebens oder Wassers nur in sehr alten Formationen zu finden. Die neuen Ergebnisse legen nun nahe, dass die Dauer der Habitabilität kleiner Körper des Sonnensystems bisher unterschätzt wurde.
In Zukunft wollen die Forscher zusätzlich Phosphatadern in den Ryugu-Proben untersuchen, um genauere Altersbestimmungen für die späten Wasserbewegungen zu ermöglichen. Zudem steht ein Vergleich mit Proben des Asteroiden Bennu an, die von der NASA-Mission OSIRIS-REx gesammelt wurden. Auf diese Weise soll geklärt werden, ob die späte Wasseraktivität ein allgemeines Phänomen bei kohlenstoffreichen Asteroiden ist oder eine Besonderheit von Ryugu darstellt.
Langfristig erhofft sich die Wissenschaft von diesen Untersuchungen neue Einblicke in den Weg des Wassers im Sonnensystem: Wie wurde es gespeichert, wann und wodurch wurde es mobilisiert und in welchem Ausmaß gelangte es schließlich auf die Erde? Diese Fragen sind zentral für das Verständnis der planetaren Lebensfreundlichkeit und könnten auch Hinweise liefern, wie häufig erdähnliche Bedingungen im Universum vorkommen.
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Recherchequelle: University of Tokyo
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