Vermutlich mehr lebensfreundliche Planeten im äußeren Bereich der Milchstraße als gedacht

Geschrieben am 02.09.2025
von Andreas Müller

Trieste (Italien) – Seit Jahrzehnten gehen Astrophysiker davon aus, dass es innerhalb unserer Galaxie eine sogenannte „Galaktische Habitable Zone“ (GHZ) gibt – einen Bereich, in dem sich lebensfreundliche Planeten mit der Chance auf komplexes Leben am ehesten bilden und halten können. Bisher wurde dieser Bereich zwischen etwa 7 und 9 Kiloparsec vom galaktischen Zentrum entfernt verortet. Eine neue Studie stellt diese Annahme nun jedoch infrage: Durch den Einfluss sogenannter Sternmigration könnte die Zone möglicher habitabler Welten deutlich weiter gefasst sein – und insbesondere die äußeren Bereiche der Milchstraße stärker betreffen als bislang gedacht.

Die klassische Galaktische Habitable Zone (Illu.)Copyright: NASA/Caltech
Die klassische Galaktische Habitable Zone (Illu.)
Copyright: NASA/Caltech

Wie die Forscher um Enrico Spitoni vom Osservatorio Astronomico di Trieste in zukünftug im Fachjournal „Astronomy & Astrophysics“ und vorab via ArXiv.org berichten, war es das Ziel ihrer Untersuchung, die astrophysikalischen Parameter besser zu verstehen, die für die Entstehung lebensfreundlicher Planeten entscheidend sind. Damit verbunden ist auch die Frage, wo in der Milchstraße Leben am wahrscheinlichsten vorkommen könnte.

Sternmigration als Schlüssel

Im Zentrum der Studie steht der Effekt der sogenannten Sternmigration. Gemeint ist damit, dass Sterne im Laufe ihrer Entwicklung ihre Position in der Galaxie verändern können. Sie bleiben also nicht zwingend dort, wo sie einst entstanden sind, sondern können nach innen oder außen wandern. Diese Wanderung verändert jedoch die Verteilung von Sternen mit ihren jeweiligen chemischen Eigenschaften und damit auch die Chancen für die Bildung terrestrischer Planeten.

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Um diesen Prozess zu untersuchen, nutzten die Forscher komplexe Computermodelle. Diese simulierten sowohl Szenarien mit Sternmigration als auch ohne, um die Wahrscheinlichkeiten für die Entstehung erdähnlicher Planeten vergleichen zu können. Zusätzlich kam ein chemisches Evolutionsmodell zum Einsatz, das die Entstehung und Entwicklung der Milchstraße in Bezug auf ihre Dicke und chemische Zusammensetzung beschreibt.

Das Ergebnis: Mit Sternmigration steigt die Wahrscheinlichkeit für die Bildung lebensfreundlicher Planeten vor allem in den äußeren Regionen der Galaxie deutlich an. Konkret ergab sich eine bis zu fünfmal höhere Chance für die Existenz habitabler Planeten im Vergleich zu Szenarien ohne Sternwanderung.

Rolle der Gasriesen

Mit ihrer Studie zeigen die Forschenden zudem, dass auch Gasriesen wie Jupiter eine wichtige Rolle spielen: In den inneren Bereichen der Milchstraße beeinflussen sie die Entstehung terrestrischer Planeten erheblich, da ihre starke Gravitation die Verteilung von Material in jungen Planetensystemen verändert. In den äußeren Regionen hingegen, wo Gasriesen seltener sind, könnten kleinere Gesteinsplaneten bessere Überlebenschancen haben.

Erweiterung der „Galaktischen Habitabilitätszone“

„In dieser Studie haben wir die Parameter, die die Galaktische Habitable Zone definieren, deutlich erweitert“, so Spitoni, Kolleginnen und Kollegen. Dies habe nicht nur Auswirkungen auf theoretische Modelle, sondern sei auch besonders relevant im Hinblick auf bevorstehende Weltraummissionen.

Die Vorstellung einer GHZ ist nicht neu. Sie baut auf dem bekannten Konzept der „Habitalen Zone“ um Sterne auf. Diese potenziell lebensfreundliche beschreibt jenen Abstandsbereich um einen Stern, innerhalb derer Planeten diesen Stern umkreisen müssen, damit aufgrund gemäßigter Oberflächentemperaturen flüssiges Wasser und damit zumindest die Grundlage des uns bekannten (irdischen) Lebens, existieren kann. Erstmals in den 1950er-Jahren diskutierten, wurde dieses dann in den 1980ern auf die gesamte Milchstraße übertragen.

Klar scheint seither: Direkt im galaktischen Zentrum ist die Entstehung lebensfreundlicher Planeten kaum möglich, da dort Supernovae und andere katastrophale Ereignisse das Überleben verhindern würden.

Neu ist nun jedoch die Erkenntnis, dass die Grenzen der GHZ wesentlich dynamischer sein könnten als bislang angenommen und dass gerade die Außenbereiche der Milchstraße eine größere Rolle spielen.

Blick in die Zukunft: ESA-Missionen

Besonders spannend ist die Studie im Hinblick auf anstehende Weltraummissionen der Europäischen Weltraumorganisation ESA: 2026 soll die Mission „PLATO“ rund eine Million Sterne untersuchen und mittels Transitmethode nach Exoplaneten suchen. 2029 soll „Ariel“ folgen und die Atmosphären von mindestens 1.000 bekannten Exoplaneten analysieren und deren chemische sowie thermische Eigenschaften erfassen. Die Mission „LIFE“ (Large Interferometer For Exoplanets) soll schließlich die Atmosphären erdähnlicher Exoplaneten nach Biomarkern ­– also möglichen Hinweisen auf Leben – analysieren.

Angesichts von Milliarden Sternen allein in der Milchstraße und der wachsenden Zahl bekannter Exoplaneten eröffnet sich so ein faszinierender Ausblick: Vielleicht liegen die Chancen, außerirdisches Leben zu entdecken, viel näher – oder vielmehr weiter draußen – als wir bisher glaubten.

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Recherchequelle: ArXiv.org

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