SEASCAPE: Forschungsprojekt sucht steinzeitliche Megastrukturen am Grund der Ostsee

Geschrieben am 31.05.2025
von Andreas Müller

Warnemünde (Deutschland) – Konzentriert sich die Archäologie meist auf Funde an der Oberfläche, so bergen doch gerade einst an Land, heute aber unterhalb des Wasserspiegels liegendes Gelände ebenfalls großes Potenzial für sensationelle Funde. Ein neues Forschungsprojekt geht nun buchstäblich der Frage auf den Grund, ob es am Grund der Ostsee steinzeitliche Megastrukturen zu entdeckte gibt.

Grafische Rekonstruktion des Steinwalls als Treibjagdstruktur in einer spätglazialen/frühholozänen Landschaft – erstellt auf Grundlage der bathymetischen Daten und des Unterwasser-3D-Modells. Copyright/Quelle: Michal Grabowski / uni-kiel.de
Grafische Rekonstruktion des Steinwalls als Treibjagdstruktur in einer spätglazialen/frühholozänen Landschaft – erstellt auf Grundlage der bathymetischen Daten und des Unterwasser-3D-Modells.
Copyright/Quelle: Michal Grabowski / uni-kiel.de

Wie das Team des interdisziplinären Verbundforschungsprojekt SEASCAPE unter Federführung des Meeresgeologen Jacob Geersen vom Leibniz-Instituts für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) und weiterer Partnerorganisationen bei einem Auftakttreffen des auf drei Jahre angelegten Projekts berichten, könnte die westliche Ostsee möglicherweise mehr kulturelles Erbe der Menschheit beherbergen als bisher vermutet. In den Unterwasserlandschaften der Ostsee hoffen die Forschenden monumentalen, von steinzeitlichen Jägern und Sammlern errichtete Strukturen zu finden.

Initialfund des Projekts war die Entdeckung einer etwa ein Kilometer langen Trockenmauer am Grund der Mecklenburger Bucht vor Rerik in rund 21 Metern Wassertiefe, die an die Uferlinie eines versunkenen Sees grenzt. Erste Auswertungen deuteten auf eine menschengemachte Jagdanlage aus dem späten Pleistozän hin, die vor ungefähr 11.000 Jahren entstand, als die Landschaft noch nicht überflutet war (…GreWi berichtete). Im Rahmen des jetzt gestarteten Projekts soll diese Hypothese zunächst mit Hilfe von geophysikalischen, geologischen und unterwasserarchäologischen Untersuchungen überprüft werden.

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Neben weiteren Erkundungen des Steinwalls vor Rerik, sollen aber auch andere Regionen erkundet werden. So gibt es bereits Hinweise auf weitere potenzielle Megastrukturen in der Flensburger Förde und im Fehmarnsund, die bislang wissenschaftlich kaum erschlossen sind und die nun durch hochauflösende Kartierung eingehend analysiert werden sollen.

Schon in den frühen 200023 Jahren konnte das IOW versunkene Seen und alte Uferlinien am Ostseegrund geophysikalisch erfassen und kartieren –Untersuchungen, die wichtige Erkenntnisse über die Paläolandschaftsentwicklung der westlichen Ostsee lieferten und nun die Grundlage SEASCAPE bilden.

Hinzu wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die einstigen Umweltbedingungen rekonstruieren und Fragen nach dem menschlichen Ursprung und der kulturellen Funktion dieser Anlagen ergründen.

„Ziel von SEASCAPE ist es, ein umfassenderes Bild der vormals terrestrischen Kulturlandschaften am Grund der heutigen Ostsee zu rekonstruieren und so neue Einblicke in die Lebensweise der frühsteinzeitlichen Jäger und Sammler zu gewinnen und damit auch neue Perspektiven auf die frühgeschichtliche Entwicklung Nordeuropas eröffnen. Mit SEASCAPE betreten wir wissenschaftliches Neuland – nicht nur im wahrsten Sinne des Wortes unter der Meeresoberfläche, sondern auch durch die enge Verbindung sehr verschiedener Disziplinen – Geophysik, Archäologie und Paläo-Umweltforschung – ohne die eine sinnvolle Interpretation der Strukturen nicht möglich wäre“, erläutert Geersen.

Neben dem IOW sind das Leibniz-Zentrum für Archäologie (LEIZA), die Universität Rostock und die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Darüber hinaus begleiten das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern sowie das Archäologische Landesamt Schleswig-Holstein das Vorhaben als verantwortliche Behörden für den Schutz des Kulturerbes.

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Recherchequelle: IOW

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