Neue Studie erklärt Planeten mit extrem weiten Umlaufbahnen – und stützt so die Existenz von „Planet Nine“

Geschrieben am 28.05.2025
von Andreas Müller

Houston (USA) – Eine neue Studie bietet erstmals eine umfassende Erklärung dafür, wie sogenannte Weitbahnplaneten (engl. „wide-orbit planets“) entstehen können – also Planeten, die ihre Sterne in enormen Distanzen von 100 bis zu 10.000 Astronomischen Einheiten (AE) umkreisen. Ein prominentes Beispiel hierfür ist der hypothetische „Planet Neun“, der möglicherweise weit außerhalb von Neptun in unserem eigenen Sonnensystem existiert.

Momentaufnahmen der dynamischen Entwicklung eines Sternhaufens mit 200 Sternen.Copyright/Quelle: Izidoro et al.; Nature Astronomy (2025)
Momentaufnahmen der dynamischen Entwicklung eines Sternhaufens mit 200 Sternen.
Copyright/Quelle: Izidoro et al.; Nature Astronomy (2025)

Wie das Team um André Izidoro von der Rice University und des Planetary Science Institute aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-025-02556-0) berichtet, basiert ihre Studie auf Tausenden von numerischen Simulationen, in denen junge Planetensysteme innerhalb realistisch modellierter Sternhaufen.

Das Ergebnis zeigte, dass Weitbahnplaneten keine Seltenheit oder Anomalien darstellen, sondern ein natürliches Produkt dynamischer Instabilitäten in der Frühphase der Planetensystementwicklung sein könnten.

www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +

„Wir beobachten im Grunde ein kosmisches Flipperspiel“, sagt Hauptautor Izidoro. Wenn sich Riesenplaneten durch gravitative Wechselwirkungen gegenseitig beeinflussen, können sie aus ihrer ursprünglichen Bahn geschleudert werden. Unter bestimmten Umständen werden sie dabei jedoch nicht aus dem System geworfen, sondern auf sehr weit entfernte Umlaufbahnen eingefangen – stabilisiert durch den gravitativen Einfluss benachbarter Sterne im Sternhaufen.

Die Simulationen zeigen, dass innere Instabilitäten – etwa während der Entstehung von Uranus und Neptun oder späteren Streuprozessen zwischen Gasriesen – zu diesem Effekt führen können. „Wenn das Timing stimmt, kann ein Planet durch die Gravitationsstöße von der inneren Architektur des Systems abgekoppelt und in eine stabile Weitbahn transferiert werden.“

Hintergrund
Jenseits der Umlaufbahn des Neptun liegt der Kuiper-Gürtel, der aus kleinen Körpern aus der Zeit der Entstehung unseres Sonnensystems besteht. Neptun und die Riesenplaneten beeinflussen gravitativ die Objekte im Kuiper-Gürtel und darüber hinaus, die gemeinsam als Trans-Neptunian Objects, also als transneptunische Objekte (TNOs) bekannt sind, und die die Sonne auf nahezu kreisförmigen Bahnen umkreisen.

Bahndiagramme von 9 transneptunischen Objekten, deren Bahn von Planet Nine beeinflusst sein könnte.Copyright: Tomruen (via WikimediaCommons) CC BY-SA 4.0
Bahndiagramme von 9 transneptunischen Objekten, deren Bahn von Planet Nine beeinflusst sein könnte.
Copyright: Tomruen (via WikimediaCommons) CC BY-SA 4.0

Allerdings haben Astronomen einige mysteriöse Ausreißer entdeckt. Seit 2003 wurden rund 30 TNOs auf stark elliptischen Umlaufbahnen entdeckt: Sie heben sich von den anderen TNOs dadurch ab, dass sie im Durchschnitt die gleiche räumliche Orientierung haben. Diese Art von Clustering lässt sich nicht durch die bislang bekannte Architektur des Sonnensystems mit den acht bekannten Planeten erklären und führte zu verschiedenen Hypothesen, laut derer die ungewöhnlichen Bahnen durch die Existenz eines noch unbekannten neunten Planeten beeinflusst werden könnten.

Obwohl erstmals der Astronom Scott C. Sheppard die Idee von einem weiteren großen Planeten im Sonnensystem beschrieb, wurde die Theorie erst durch die Ausführungen dazu von Mike Brown und Konstantin Batygin bekannt. Auf der Grundlage neuster Berechnungen gehen Brown und Batygin davon aus, dass Planet Nine eine Masse von rund fünf Erdenmassen und eine Umlaufbahhalbachse nur von 400 Astronomischen Einheiten (AE = Abstand Erde-Sonne) besitzt. (Zuvor waren  davon ausgegangen, dass P9 etwa 10 Erdenmassen auf die Wage bringen könnte und die Sonne 20 mal weiter als Neptun umkreise, was eine Halbachse von etwa 700 AE entsprechen würde. Damit wäre der Planet nicht nur kleiner und der Sonne deutlich näher, sondern auch gleichzeitig heller als lange Zeit gedacht (…GreWi berichtete).

Diese Entstehungsmechanik könnte auch die Existenz eines weiteren großen Planeten im äußeren Sonnensystem, der sogenannte Planet Nine, erklären, dessen Existenz bisher nur indirekt aufgrund zahlreicher übereinstimmender Abweichungen der Umlaufbahnen transneptunischer Objekte vermutet wird. Laut Izidoro zeigen die Modelle, dass bei zwei Instabilitätsphasen in der Frühzeit des Sonnensystems eine bis zu 40%ige Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Planet-Nine-ähnliches Objekt eingefangen wurde.

Die Studie schlägt zudem eine Brücke zwischen Weitbahnplaneten und sogenannten „freien Planeten“, also Planeten, die vollständig aus ihren Systemen herausgeschleudert wurden und nun ungebunden an einen Stern durchs All treiben. Der Begriff der „Einfangseffizienz“ ist dabei zentral: In Systemen wie unserem Sonnensystem liegt diese bei 5–10%, in exotischeren Systemen – etwa mit mehreren Sonnen oder nur Eisriesen – deutlich niedriger.

„Wir erwarten etwa einen Weitbahnplaneten pro tausend Sterne“, erklärt Izidoro. Das klingt wenig – aber bei Milliarden von Sternen in unserer Galaxis ergibt sich daraus eine relevante Anzahl dieser Objekte.

Auch für die Suche nach Exoplaneten liefert die Studie ebenfalls neue Hinweise: Weitbahnplaneten dürften sich am ehesten um metallreiche Sterne befinden, die bereits Gasriesen beherbergen – diese Systeme eignen sich zudem besonders für gezielte Beobachtungskampagnen.

WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Erste astronomische Hinweise auf Planet Nine entdeckt? 1. Mai 2025
Astronomen schlagen neue Teleskopanlage zur Suche nach Planet Nine vor 19. November 2024
Suche nach Planet Nine offenbart stellares Objekt mit 2 Mio. km/h 22. August 2024
78 Prozent bereits abgesucht: Suche nach “Planet Nine” nähert sich der Zielgeraden 8. Februar 2024
Planet Nine: Monde könnten unbekannten Planeten im äußeren Sonnensystem verraten 14. Februar 2023
Wurde Planet Nine bereits vor Jahrzehnten unbemerkt abgelichtet? Eher nicht… 19. November 2021′
Astronomen beschreiben erstmals konkrete Umlaufbahn von Planet Nine 25. August 2021

Recherchequelle: Rice University

© grenzwissenschaft-aktuell.de
““