Chachapoya: Neue Entdeckungen zum Volk der „Wolkenmenschen“ in Peru

Geschrieben am 24.05.2025
von Andreas Müller

Lima (Peru) – Mithilfe des Laserdetektion LiDAR haben Archäologen im peruanischen Regenwald über 100 archäologischen Strukturen in der Region San Martín entdeckt. Ers ist die erste bedeutende Entdeckung in der Region seit den 1980er-Jahren und mehr als eine Verdopplung der bisher bekannten archäologischen Strukturen, die dem sagenumwobenen Volk der Chachapoya zugeordnet werden, die auch als „Wolkenmenschen“ bekannt sind.

Foto: Restaurierungsarbeiten an der Nordbasis von Gebäude 1 in Pajatén, Peru.Copyright/Quelle: Heinz Plenge Pardo / WMF
Foto: Restaurierungsarbeiten an der Nordbasis von Gebäude 1 in Pajatén, Peru.
Copyright/Quelle: Heinz Plenge Pardo / WMF

Wie der der World Monuments Fund (WMF) handelt es sich bei den Funden in Gran Pajatén um eine der rätselhaftesten und architektonisch bedeutendsten archäologischen Stätten der Chachapoya-Zivilisation in der Region. Der Komplex befindet sich im Nationalpark Río Abiseo, einem UNESCO-Kultur-und Natur-Welterbe, das für seinen außergewöhnlichen kulturellen Reichtum und seine landschaftliche Schönheit bekannt ist.

Die Forschenden des WMF haben hier über 100 bisher unbekannte archäologische Strukturen identifiziert und dokumentiert – weit mehr als die ursprünglich in den 1980er-Jahren registrierten 26. Die Entdeckung markiere einen Meilenstein im Verständnis der Siedlungsorganisation, Architektur und regionalen Bedeutung der Chachapoya.

Hintergrund: Das Rätselafte Volk der Chachapoya

Die Bezeichnung Chachapoya stammt von den Inka und bedeutet auf Quechua soviel wie WWolkenmenschen“ oder „Volk des Nebelwaldes“. Die entwickelten sich vermutlich zwischen dem 7. und 16. Jahrhundert in den nordöstlichen Anden Perus. Sie siedelten in Höhenlagen zwischen 2.000 und 3.000 Metern über dem Meeresspiegel und errichteten komplexe städtische Zentren, Zeremonialplattformen, Grabanlagen an Felswänden und landwirtschaftliche Terrassen – oft in abgelegenen und unwegsamen Gebieten. Trotz regionaler Unterschiede teilten ihre Häuptlingstümer eine charakteristische architektonische und künstlerische Sprache, erkennbar an den runden Gebäuden, geometrischen Friesen und reich geschmückten Bestattungen. Obwohl sie sich gegen die Expansion der Inka zur Wehr setzten, wurden sie Ende des 15. Jahrhunderts in das Inka-Reich eingegliedert – kurz vor Ankunft der Spanier.

Die Chachapoya waren ein prähistorisches indigenes Andenvolk. Der Name wurde ihnen von den Inka gegeben und bedeutet auf Quechua „Wolkenmenschen“ oder „Nebelkrieger“.

Ursprung und Herkunft des auch als die „weißesten und schönsten Indianer Perus“ beschriebenen Volkes ist immer noch rätselhaft. Neben unterschiedlichen Regionen Lateinamerikas werden immer wieder auch eine Herkunft der Chachapoya in der Alten Welt diskutiert.

Teilansicht der Festung von Kuelap.Copyright/Quelle: Elemaki (via WikimediaCommons) / CC-BY SA 2.5
Teilansicht der Festung von Kuelap.
Copyright/Quelle: Elemaki (via WikimediaCommons) / CC-BY SA 2.5

So vertritt der Kulturwissenschaftler Hans Giffhorn die These, dass die Chachapoya eng mit den Kelten verwandt seien und möglicherweise von einer präkolumbianischen Einwanderung europäischer Seefahrer abstammen. Ebenso wie die Theorie, dass es sich bei den Wolkenmenschen um Abkömmlinge der 146 v. Chr. nach der Niederlage gegen Rom geflüchteten Karthager handeln könnte, stützt sich diese Theorie auf genetische Analysen sowie kulturelle und architektonische Parallelen zwischen den Chachapoya und keltischer und/oder der karthagischen Kultur. In der Lehrwissenschaft sind diese Hypothese allerdings bislang noch umstritten. Eine ZDF/Arte-Dokumentation von 2013 widmete sich diesen Theorien und behauptet: „In dieser Dokumentation wird zum ersten Mal der Beweis für diese Theorie dargestellt: von neuen archäologischen Funden im Amazonas, zu genetischen Analysen der modernen Bevölkerung und der Auswertung alter Chachapoya-Mumien. Dieses historische Puzzle enthüllt eine unglaubliche Möglichkeit: Die ‚neue Welt‘ kann von mediterranen Seeleuten vor über 2000 Jahren besiedelt worden sein.“

– Die Doku „Karthagos vergessene Krieger“ finden Sie HIER

Die Fundregion Gran Pajatén, in den 1960er-Jahren entdeckt, gilt seit Langem als eine der eindrucksvollsten erhaltenen Stätten der Chachapoya. Der Komplex umfasst Zeremonialgebäude mit Steinmosaiken, die menschliche Figuren und Friese im Hochrelief darstellen, und bietet einen spektakulären Blick auf den umliegenden Nebelwald.

Während frühere Forschungen einige prominente Strukturen freilegten, lag ein Großteil der Anlage weiterhin unter dichter Vegetation verborgen, sodass ihre Ausdehnung, Funktion und Datierung Gegenstand vieler Spekulationen blieb. Um das empfindliche Ökosystem des Nationalparks Río Abiseo zu schützen, ist der Zugang für Touristen weiterhin stark eingeschränkt.

Neuste Technik offenbart alte Stätten

Mithilfe modernster Technik – darunter Luft- und Bodenscans per LiDAR, Photogrammetrie, topografische Erfassung und technomorphologische Analyse – konnte der WMF nun die bislang detaillierteste Karte von Gran Pajatén erstellen. Diese Methoden ermöglichten es den Archäologen, durch das Blätterdach des Waldes zu „sehen“ und hochpräzise Karten der Baustrukturen, ihrer Anordnung und ihrer Beziehung zur natürlichen Umgebung zu erstellen – ohne das empfindliche Gelände oder die Bausubstanz zu beschädigen.

„Diese Entdeckung erweitert unser Verständnis von Gran Pajatén grundlegend und wirft neue Fragen zur Rolle des Ortes in der Welt der Chachapoya auf. Es ist nun belegt, dass es sich nicht um einen isolierten Komplex handelt, sondern um ein vernetztes System präkolumbischer Siedlungen unterschiedlicher Epochen“, sagt Juan Pablo de la Puente Brunke, Geschäftsführer des WMF in Peru. „Was diesen Moment so besonders macht, ist nicht nur der Umfang der Entdeckung, sondern auch die Art, wie sie möglich wurde“,
erklärt Bénédicte de Montlaur, Präsidentin und CEO des World Monuments Fund.

„Durch den Einsatz fortschrittlicher Technologien konnte unser Team beeindruckende visuelle und wissenschaftliche Dokumentationen erstellen – und dabei gleichzeitig das empfindliche Umfeld bewahren. Auch wenn die Stätte selbst für die meisten Menschen unzugänglich bleibt, können wir ihre Geschichte nun digital, immersiv und weltweit erlebbar machen.“

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Archäologische Untersuchungen belegen nun eine Nutzung von Gran Pajatén durch die Chachapoya mindestens seit dem 14. Jahrhundert. Bodenanalysen deuten sogar auf eine noch frühere Besiedlung hin. Die Entdeckung eines nahegelegenen Netzwerks präkolumbischer Straßen, das Gran Pajatén mit anderen Stätten wie La Playa, Papayas und Los Pinchudos verbindet, spricht für eine weitreichende, gut strukturierte territoriale Organisation.

Parallel zur Fernerkundung führte das Team auch archäologische und konservatorische Maßnahmen an einer der bedeutendsten Strukturen des Komplexes durch. Dabei wurde kontrolliert Vegetation entfernt, die Anlage digital dokumentiert und baulich stabilisiert.

Eine Ausstellung im „Museo de Arte de Lima“ (MALI) bietet vom 21. Mai bis 18. Juni die Möglichkeit, die Kultur der Chachapoya kennenzulernen und mehr über die neuesten Entdeckungen des WMF zu erfahren.

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Recherchequelle: WMF

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