Princeton (USA) – Im äußeren Bereich unseres Sonnensystem hat ein Astronomenteam ein außergewöhnliches sogenanntes transneptunisches Objekt (TN) entdeckt – vermutlich ein Zwergplanet, der die Sonne auf einer extremen Umlaufbahn von 25.000 Jahren umkreist.

Copyright/Quelle: Cheng & Yang, Institute for Advanced Study
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Ein bislang unbekannter Zwergplanet
Wie das Team um Sihao Cheng, Mitglied der Martin A. und Helen Chooljian-Stiftung an der School of Natural Sciences des Institute for Advanced Study vorab via ArXiv.org berichtet, trägt der neuentdeckte Pluto-Cousin die Bezeichnung „2017 OF201“. Mit rund 700 Kilometern Durchmesser ist er vermutlich groß genug, um als Zwergplanet eingestuft zu werden – jener Kategorie, die durch die Herabstufung des einst neunten Planeten Pluto für Objekte eingeführt wurde, die zwar deutlich größer als Asteroiden sind, jedoch nicht ihre Umlaufbahn freigeräumt haben.
„2017 OF201“ ist aus zwei Gründen besonders: wegen seiner extremen Umlaufbahn von 25.000 Jahren und seiner großen Größe. „Der Aphel – also der sonnenfernste Punkt der Umlaufbahn – beträgt mehr als das 1.600-Fache der Erdumlaufbahn“, erklärt Cheng. „Der Perihel – der sonnennächste Punkt – beträgt 44,5 AE (Astronomische Einheiten), ähnlich wie die Umlaufbahn Plutos.“
Das nun beschriebenen Objekt zählt zu den am weitesten entfernten sichtbaren Objekten im Sonnensystem. Seine Entdeckung deutet darauf hin, dass der vermeintlich „leere“ Raum jenseits von Neptun im Kuiper-Gürtel doch nicht so leer ist, wie bislang angenommen.
Transneptunische Objekte sind Körper im Sonnensystem, die die Sonne in größerer durchschnittlicher Entfernung als der Planet Neptun umkreisen.
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Cheng entdeckte das Objekt gemeinsam mit den Kollegen Jiaxuan Li und Eritas Yang von der Princeton University, wobei sie fortgeschrittene rechnergestützte Methoden nutzten, um das auffällige Bahnverhalten des Objekts am Himmel zu identifizieren. Die Entdeckung wurde am 21. Mai 2025 offiziell vom Minor Planet Center der Internationalen Astronomischen Union bestätigt.
Die extreme Umlaufbahn von „2017 OF201“ deutet auf eine komplexe Geschichte gravitativer Wechselwirkungen hin: „Es muss enge Begegnungen mit einem Riesenplaneten gegeben haben, wodurch es auf eine so weite Umlaufbahn geschleudert wurde“, sagt Yang.
„Es könnte mehrere Stationen in seiner Migration gegeben haben. Vielleicht wurde das Objekt zunächst in die Oortsche Wolke ausgestoßen – den entferntesten Bereich unseres Sonnensystems, in dem sich viele Kometen befinden – und dann zurückgeschickt“, ergänzt Cheng.

Bildnachweis: NASA/JPL-Caltech (Zwergplaneten); Bild von 2017 OF201: Sihao Cheng et al.
Widerspruch zur Theorie von Planet Neun?
„Viele extreme TNOs zeigen Umlaufbahnen, die in bestimmten Orientierungen gehäuft auftreten, doch 2017 OF201 weicht davon ab“, erklärt Li. Diese Häufungen wurden bislang als indirekter Hinweis auf einen bisher unbekannten Planeten im Sonnensystem gedeutet – oft als ‚Planet X‘ oder ‚Planet Neun‘ (Planet Nine) bezeichnet – der durch seine Gravitation diese Objekte in bestimmte Bahnmuster lenken soll. Die Abweichung von 2017 OF201 stellt diese Hypothese nun potenziell infrage.
Mit etwa 700 Kilometern Durchmesser, wäre „2017 OF201“ das bislang zweitgrößte bekannte Objekt in einer derart weiten Umlaufbahn. Zum Vergleich: Pluto hat einen Durchmesser von etwa 2.377 Kilometern, unser Mond 3.474 Kilometer und die Erde von rund 12.742 Kilometer. Um die tatsächliche Größe des neuentdeckte Himmelskörpers genau zu bestimmen, sind jedoch weitere Beobachtungen, etwa durch Radioteleskope, notwendig.
Konsequenzen für unser Verständnis des Sonnensystems
Die Entdeckung hat weitreichende Implikationen für unser Verständnis des äußeren Sonnensystems. Der Bereich jenseits des Kuiper-Gürtels, in dem sich das Objekt befindet, galt bisher als weitgehend leer. Diese Annahme wird nun durch die neue Entdeckung infrage gestellt. „’2017 OF201′ verbringt nur ein Prozent seiner Umlaufzeit in einer Entfernung, in der er für uns nachweisbar ist“, erklärt Cheng. „Die Existenz dieses einen Objekts legt nahe, dass es vielleicht noch hundert weitere Objekte ähnlicher Größe und Umlaufbahn gibt – sie sind nur derzeit zu weit entfernt, um entdeckt zu werden.“
Die Entdeckung zeigt auch die Bedeutung von offener Wissenschaft (Open Science): „Alle Daten, die wir verwendet haben, um dieses Objekt zu identifizieren und zu charakterisieren, stammen aus öffentlich zugänglichen Archiven. Sie sind für jede und jeden verfügbar, nicht nur für professionelle Astronomen“, erklärt Li. „Das bedeutet: Bahnbrechende Entdeckungen sind nicht nur großen Observatorien vorbehalten. Jeder Forscher, Student oder auch interessierte Laienforscher mit den richtigen Werkzeugen und Kenntnissen hätte diese Entdeckung machen können. Das zeigt den großen Wert, der in der gemeinsamen Nutzung wissenschaftlicher Ressourcen liegt.“
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Recherchequelle: Institute for Advanced Study
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