Bern (Schweiz) – Eine aktuelle Studie dämpft die Hoffnung, dass dunkle, fingerartige Streifen an zahlreichen Marshängen das Ergebnis von hier austretendem flüssigem Wasser sein könnten. Vielmehr scheint es sich um das Resultat trockener Lawinen zu handeln.

Copyright/Quelle: ESA/TGO/CaSSIS CC-BY SA 3.0 IGO
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Tatsächlich heben sich an zahlreichen Orten auf dem Mars dunkle, fingerartige Strukturen vom sonstigen helleren Boden farblich ab. Genauso sieht es auf der Erde aus, wenn Wasser auf trockenem Grund an die Oberfläche tritt und Hänge hinab sickert.
Wie die Forschenden um Dr. Valentin Bickel von der Universität Bern und Dr. Adomas Valantinas von der Brown University aktuell im Fachjournal „Nature Communications“ (DOI: 10.1038/s41467-025-59395-w) berichten, haben sie die Einträge einer mithilfe von KI erstellten neuen Datenbank von 500.000 der seltsamen Streifen, die an steilen Marshängen auftreten, ausgewertet und kommen zu dem Schluss, „dass diese höchstwahrscheinlich durch trockene Prozesse und nicht durch fließendes Wasser verursacht werden.“
KI erstellt umfangreichsten Katalog der Abflussrinnen auf dem Mars
Nachdem sie ihren Algorithmus anhand von bestätigten Streifen-Sichtungen trainiert hatten, nutzten sie diese KI, um mehr als 86.000 hochauflösende Satellitenbilder zu scannen. Das Ergebnis war die erste globale Karte von Hangstreifen auf dem Mars, mit mehr als 500.000 individuellen Streifen.
„Sobald wir diese globale Karte hatten, konnten wir sie mit Datenbanken und Katalogen zu anderen Faktoren wie Temperatur, Windgeschwindigkeit, Steinschlagaktivität und Staubteufelaktivität vergleichen“, erklärt Valentin Bickel, Planetenforscher am Center for Space and Habitability (CSH) an der Universität Bern. „Dann konnten wir in Hunderttausenden von Fällen nach Korrelationen suchen, um die Bedingungen besser zu verstehen, unter denen sich die Streifen bilden.“
Nass oder trocken? Unterschiedliche Erklärungsmodelle
Während die Hangstreifen auf dem Mars von anderen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen als Flüssigkeitsströme interpretiert werden, was auf die Möglichkeit einer gegenwärtig bewohnbaren Umgebung auf dem Roten Planeten hindeuten würde, legen die neuen Daten trockene Prozesse im Zusammenhang mit Wind- und Staubaktivitäten als Erklärung nahe:
„Diese globale, geostatistische Analyse zeigte, dass Hangstreifen und RSLs im Allgemeinen nicht mit Faktoren verbunden sind, die auf einen flüssigen oder frostigen Ursprung hindeuten, wie z. B. eine bestimmte Hangausrichtung, hohe Oberflächentemperaturschwankungen oder hohe atmosphärische Feuchtigkeit. Stattdessen ergab die Studie, dass sich beide Merkmale eher an Orten mit überdurchschnittlicher Windgeschwindigkeit und Staubablagerung bilden – Faktoren, die auf einen trockenen Ursprung der Streifen hindeuten.“

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Erstmals entdeckt wurden die seltsamen Streifen auf Aufnahmen der NASA-Mars-Sonde „Viking“ in den 1970er Jahren. Die Strukturen sind in der Regel dunkler als das umliegende Gelände und erstrecken sich über Hunderte von Metern in abschüssigem Gelände. Einige bleiben über Jahre oder Jahrzehnte bestehen, während andere schneller kommen und wieder verblassen. Die Streifen, die schneller auftauchen und wieder verschwinden (sogenannte „Recurring Slope Lineae RSL“) scheinen zudem während der wärmsten Perioden des Marsjahres an denselben Stellen immer wieder aufzutauchen, weswegen sie auch als mögliche Austritte von Schmelzwasser aus dem Untergrund gedeutet wurde.
Während der heutige Mars trocken ist, und die Temperaturen selten über den Gefrierpunkt steigen, wäre es dennoch möglich, dass sich kleine Mengen Wasser – vielleicht aus unterirdischem Eis, unterirdischen Wasserspeichern oder ungewöhnlich feuchter Luft – mit genügend Salzmineralen vermischen, um auch auf der gefrorenen Marsoberfläche eine flüssige Phase zu erzeugen. Sollte sich diese Vorstellung bestätigen, könnten RSLs und Hangstreifen seltene, lebensfreundliche Nischen auf einem sonstigen Wüstenplaneten darstellen (…GreWi berichtete).
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Alternativ wurden auch schon früher die nun gestützten trockenen Erklärungsmodelle für die Streifen diskutiert: Prozesse, die durch Steinschlag oder Windböen ausgelöst werden, könnten lawinenartige Rutschungen erzeugen, die dunkleren Marsuntergrund zutage treten lassen, der aber mit der Zeit ebenfalls nachhellt.
Auch Bickel und Valantinas kommen zu dem Schluss, dass sich die Streifen höchstwahrscheinlich bilden, wenn Schichten von feinem Staub plötzlich von steilen Hängen abrutschen. Die spezifischen Auslöser können variieren. Hangstreifen treten häufiger in der Nähe von jüngeren Einschlagskratern auf, wo Schockwellen möglicherweise Oberflächenstaub lockern und lostreten. RSLs werden dagegen häufiger an Orten gefunden, an denen sogenannte Staubteufel oder Felsstürze häufig sind.
Konsequenzen für weitere Mars-Forschung
Die neuen Zweifel an flüssigem Wasser an der Marsoberfläche sind auch für zukünftige Missionen zur Erforschung des Mars bedeutend. Auch wenn potenziell lebensfreundliche Umgebungen nach guten Forschungszielen klingen, bleiben die NASA und ESA lieber auf Abstand zu solchen Umgebungen. Alle irdischen Mikroben, die auf einer Raumsonde mitgeflogen sind, könnten potenziell lebensfreundliche Mars-Umgebungen kontaminieren und so die Suche nach originärem Mars-Leben erschweren oder dieses gar gefährden könnten. „Die aktuelle Studie deutet allerdings darauf hin, dass das Kontaminationsrisiko an den Gebieten mit Hangstreifen kein großes Problem darstellt“ so die Forscher abschließend „Das ist der Vorteil dieses Big Data-Ansatzes. Er hilft uns, einige Hypothesen schon aus dem Orbit auszuschließen, bevor wir Raumfahrzeuge und Rover zur Erkundung schicken.“
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Recherchequelle: Universität Bern
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