Keine größeren Planeten um Sommerstern Vega

Geschrieben am 04.11.2024
von Andreas Müller

Lesezeit: ca. 4 MinutenTucson (USA) – Von jeher spielt die Vega in der Science-Fiction-Literatur eine bedeutende Rolle als Heimatstern außerirdischer Zivilisationen und deren Besucher auf der Erde, nicht zuletzt, weil er einer der hellsten Sterne am nördlichen Nachthimmel ist. Neue Aufnahmen der Weltraumteleskope Hubble und James Webb zeigen nun jedoch, dass die Vega von keinen erkennbaren größeren Planeten, […]Lesezeit: ca. 4 Minuten
Falschfarbendarstellungen der neusten Aufnahmen der Vega mit den Weltraumteleskopen Hubble (l.) und James-Webb (r.) zeigt die rund 100 Milliarden Meilen breite Staubscheibe um den „Sommerstern“ Vega im Sommerdreieck des Sternbilds Leier. Der schwarze Punkt in der Mitte blockiert das helle Leuchten des heißen jungen Sterns. Das James Webb Space Telescope erkennt das Leuchten von warmem Staub in einem Scheibenhalo, in einer Entfernung von 23 Milliarden Meilen. Die äußere Scheibe (analog zum Kuipergürtel unseres Sonnensystems) erstreckt sich von 7 bis 15 Milliarden Meilen. Die innere Scheibe reicht vom inneren Rand der äußeren Scheibe bis in die Nähe des Sterns. Es gibt einen deutlichen Abfall der Oberflächenhelligkeit der inneren Scheibe von etwa 3,7 bis 7,2 Milliarden Meilen. Der schwarze Punkt in der Mitte resultiert aus fehlenden Daten durch Sättigung.Copyright: NASA, ESA, CSA, STScI, S. Wolff (University of Arizona), K. Su (University of Arizona), A. Gáspár (University of Arizona)

Falschfarbendarstellungen der neusten Aufnahmen der Vega mit den Weltraumteleskopen Hubble (l.) und James-Webb (r.) zeigt die rund 100 Milliarden Meilen breite Staubscheibe um den „Sommerstern“ Vega im Sommerdreieck des Sternbilds Leier. Der schwarze Punkt in der Mitte blockiert das helle Leuchten des heißen jungen Sterns. Das James Webb Space Telescope erkennt das Leuchten von warmem Staub in einem Scheibenhalo, in einer Entfernung von 23 Milliarden Meilen. Die äußere Scheibe (analog zum Kuipergürtel unseres Sonnensystems) erstreckt sich von 7 bis 15 Milliarden Meilen. Die innere Scheibe reicht vom inneren Rand der äußeren Scheibe bis in die Nähe des Sterns. Es gibt einen deutlichen Abfall der Oberflächenhelligkeit der inneren Scheibe von etwa 3,7 bis 7,2 Milliarden Meilen. Der schwarze Punkt in der Mitte resultiert aus fehlenden Daten durch Sättigung.
Copyright: NASA, ESA, CSA, STScI, S. Wolff (University of Arizona), K. Su (University of Arizona), A. Gáspár (University of Arizona)

Tucson (USA) – Von jeher spielt die Vega in der Science-Fiction-Literatur eine bedeutende Rolle als Heimatstern außerirdischer Zivilisationen und deren Besucher auf der Erde, nicht zuletzt, weil er einer der hellsten Sterne am nördlichen Nachthimmel ist. Neue Aufnahmen der Weltraumteleskope Hubble und James Webb zeigen nun jedoch, dass die Vega von keinen erkennbaren größeren Planeten, sondern immer noch von einer auffallend glatten protoplanetaren Gas- und Staubscheibe umgeben ist. Zumindest ein bekannter SciFi-Roman lag also richtig.

Wie das Team um Kate Su und Andras Gáspár von der University of Arizona vorab via ArXiv.org und in einr kommenden Ausgabe des „Astrophysical Journal“ berichtet, nutzten sie die beiden Weltraumteleskope von NASA, ESA und der kanadischen Weltraumagentur CSA, um die 100 Milliarden Meilen breite Scheibe um Vega zu untersuchen.

„Durch die Hubble- und Webb-Teleskope erhält man eine sehr klare Sicht auf Vega. Es ist ein mysteriöses System, da es anders ist als andere zirkumstellare Scheiben, die wir bislang untersucht haben“, berichtet Gáspár. „Die Scheibe um Vega ist unglaublich glatt.“ Entsprechend finden sich um den Stern denn auch keine offensichtlichen Hinweise auf große Planeten gibt, die sich durch die Scheibe und Rillen und Lücken in diese pflügen würden. „Das lässt uns die Vielfalt von Exoplanetensystemen neu überdenken,“ fügt Su hinzu.

Zwei Teleskope – ein Ziel: Vega

Das James-Webb-Weltraumteleskop (JWST) ist in der Lage, das Infrarotleuchten einer Scheibe aus sandkorngroßen Partikeln, die um den heißen blau-weißen Stern wirbeln abzubilden, der 40-mal heller als unsere Sonne ist. Hubble hingegen erfasst einen äußeren Halo dieser Scheibe, mit Partikeln, die nicht größer als die von Rauch sind und das Licht ihres Sterns reflektieren. Die Staubverteilung in der Trümmerscheibe um Vega ist schichtweise angeordnet, da der Druck des Sternenlichts die kleineren Körner schneller als die größeren nach außen drückt. Grundsätzlich sind die verschiedenen physikalischen Prozesse, die diese Partikel unterschiedlicher Größe an verschiedenen Positionen anordnen also bekannt.

Während in ähnlichen Scheiben zahlreiche durch kollidierende Asteroiden und sich zusammenballende Planeten Lücken zeigen (auch Monde haben in den Saturnringen solche hinterlassen), zeigt die Scheibe um Vega nur eine kleine Lücke. Diese ist etwa 60 astronomische Einheiten (AE = Abstand Erde-Sonne) vom Stern entfernt – etwa doppelt so weit wie der Abstand von Neptun zur Sonne. „Abgesehen davon ist die Scheibe so lange sehr glatt, bis das Licht des Sterns alles überstrahlt. Dies zeigt, dass zuminidest in diesem sichtaren Bereich keine bis Neptun-große Planeten in weiten Bahnen wie in unserem Sonnensystem vorhanden sind“, so die Forschenden. Weiterhin möglich wären jedoch Planeten im überstrahlen inneren Teil der Scheibe.

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„Wir sehen im Detail, wie vielfältig zirkumstellare Scheiben sind und wie diese Vielfalt mit den zugrunde liegenden Planetensystemen zusammenhängt“, fügte Su hinzu. „Wir erfahren viel über die Planetensysteme – selbst wenn wir mögliche versteckte Planeten nicht direkt sehen können. Es gibt noch viele Unbekannte im Planetenbildungsprozess, und ich denke, dass diese neuen Beobachtungen von Vega dabei helfen werden, Modelle der Planetenbildung besser einzugrenzen.“

Aufnahmen offenbaren Vielfalt der zirkumstellarer Scheiben

Neu entstehende Sterne ziehen Material aus einer Staub- und Gasscheibe an, die das abgeflachte Überbleibsel der Wolke darstellt, aus der sie sich bilden. Mitte der 1990er Jahre entdeckte das Hubble-Teleskop solche Scheiben um viele sich neu formende Sterne. Diese Scheiben sind wahrscheinlich Orte der Planetenbildung, Migration und manchmal auch Zerstörung. Für gewöhnlich besitzen bereits vollständig gereifte Sterne wie die Vega-Staubscheibe, die durch andauernde Kollisionen zwischen umlaufenden Asteroiden und Trümmern von verdampfenden Kometen angereichert werden. Diese urzeitlichen Körper können bis zum heutigen Alter der Vega von 450 Millionen Jahren überdauern (unsere Sonne ist etwa zehnmal älter als Vega). Auch in unserem Sonnensystem wird Staub (sichtbar als Zodiakallicht) durch kleinere Himmelskörper, die etwa 10 Tonnen Staub pro Sekunde ausstoßen, ständig erneuert. Dieser Staub wird durch Planeten beeinflusst und bietet eine Möglichkeit, Planeten um andere Sterne indirekt zu erkennen, indem man ihre Auswirkungen auf den Staub beobachtet.

„Vega bleibt also weiterhin ungewöhnlich“, sagt Schuyler Wolff, ebenfalls von der University of Airzona. „Die Architektur des Vega-Systems unterscheidet sich deutlich von unserem eigenen Sonnensystem, in dem riesige Planeten wie Jupiter und Saturn den Staub daran hindern, sich so zu verteilen, wie es bei Vega der Fall ist.“

Als Vergleich bietet sich der nahe gelegene Stern Fomalhaut an, der in etwa der gleichen Entfernung, dem gleichen Alter und der gleichen Temperatur wie Vega liegt. Trotz dieser Übereinstimmungen unterscheidet sich dieser jedoch durch die zirkumstellare Architektur erheblich von der Vega, hat Fomalhaut doch drei ineinander geschachtelte Trümmerringe.

Zum Vergleich: Die Aufnahmen von Hubble (l.) und Webb (r.) der zirkumstellaren Scheibe um Fomalhaut.Copyright/Quelle: NASA, ESA, CSA

Zum Vergleich: Die Aufnahmen von Hubble (l.) und Webb (r.) der zirkumstellaren Scheibe um Fomalhaut.
Copyright/Quelle: NASA, ESA, CSA

Es wird vermutet, dass Planeten als leitende Körper um Fomalhaut fungieren, die den Staub gravitationell in den Ringen einschränken, obwohl bisher keine Planeten positiv identifiziert wurden. „Angesichts der physikalischen Ähnlichkeit zwischen den Sternen Vega und Fomalhaut stellt sich die Frage, warum Fomalhaut in der Lage gewesen zu sein, Planeten zu bilden, während Vega das nicht konnte? Schließlich sollten in beiden Systemen dieselbe Physik wirken. Was ist also der Unterschied? Hat die zirkumstellare Umgebung oder der Stern selbst diesen Unterschied geschaffen? Offene Frage, die nun weitere Beobachtungen klären sollen.

Hintergrund
2021 berichteten Astronomen von einem Hinweis auf einen heißen Riesenplaneten um die Vega, der bislang jedoch noch nicht weiter bestätigt werden könnte. So vorhanden, würde der Planet seinen Stern derart dicht umkreisen, dass er für eine Umrundung gerade einmal 2,5 Erdentage benötigt. Im Vergleich dazu braucht der innerste Planet unseres Sonnensystems (Merkur) schon ganze 88 Tage für einen Umlauf. Zugleich wäre der Planet mit einer Oberflächentemperatur von fast 3.000 Grad Celsius der zweit heißeste bislang bekannte Planet überhaupt (…GreWi berichtete). Aufgrund der dichten Umlaufbahn würde sich der Planet aber auch auf den neuen Webb- und Hubble-Aufnahmen nicht abzeichnen.

Während der deutsche Titel der US-amerikanischen Science-Fiction-Fernsehserie „They are coming from another Galaxy“ (1967-70) diese Besucher als „Invasion von der Wega“ kommen ließ, lag zumindest ein Kinofilm und dessen Romanvorlage mit seiner Beschreibung der Vega als planetenloser Stern offenbar richtig: Im Film „Contact“ von 1997, der auf Carl Sagans Roman von 1985 basiert, reist die SETI-Astronomin Ellie Arroway (Jodie Foster) durch ein von Aliens gebautes Wurmloch zum Stern Vega. Dort trifft sie auf eine Schneesturm-ähnliche Trümmerscheibe ohne sichtbare Planeten.

WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Hinweise auf heißen Riesenplanet um Vega 10. März 2024

Recherchequelle: NASA

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