Klimawandel verändert die Erdrotation und Tageslänge

Geschrieben am 25.07.2024
von Andreas Müller

Lesezeit: ca. 4 Minuten Zürich (Schweiz) – Schwinden die Eismassen, so verändert dies auch die Art und Weise, wie unser Planet rotiert. In einer aktuellen Studie zeigen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, wie der Klimawandel die Erdrotationsachse und damit auch die Tageslänge verändert. Auch Drehgeschwindigkeit hängt demnach sogar viel mehr vom Klima als vom Einfluss des Mondes ab. „Die Rotationsachse der […]Lesezeit: ca. 4 Minuten
Symbolbild (Illu.).Copyright: 51581 (via Pixabay.com) / Pixabay License

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Zürich (Schweiz) – Schwinden die Eismassen, so verändert dies auch die Art und Weise, wie unser Planet rotiert. In einer aktuellen Studie zeigen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, wie der Klimawandel die Erdrotationsachse und damit auch die Tageslänge verändert. Auch Drehgeschwindigkeit hängt demnach sogar viel mehr vom Klima als vom Einfluss des Mondes ab.

„Die Rotationsachse der Erde verschiebt sich aufgrund von Klimawandel und Bewegungen im Erdinnern“, erläutert die Pressemitteilung der ETH Zürich und führt dazu weiter aus: „Die damit verbundene Polbewegung wird durch Massenverlagerungen wie das Schmelzen der polaren Eismassen ausgelöst.“

Wie das Team um Dr. Benedikt Soja, Professor für Weltraumgeodäsie am Departement Bau, Umwelt und Geomatik an der der ETH Zürich gemeinsam mit internationalen Kolleginnen und Kollegen, unter anderem der NASA aktuell in gleich zwei Studien in den Fachjournalen „Nature Geoscience“ (DOI: 10.1038/s41561-024-01478-2) und „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS; DOI: 10.1038/s41561-024-01478-2) berichtet, haben sie die bislang umfassendste und KI-gestützte Modellierung der Polbewegungen erstellt und anhand dieser Simulationen zum ersten Mal die verschiedenen Ursachen der langfristigen Polbewegung vollständig erklären können.

Das Ergebnis zeige zudem, dass Klimawandel und Erderwärmung einen größeren Einfluss auf die Drehgeschwindigkeit der Erde haben als die Wirkung des Mondes, der seit Milliarden von Jahren die Zunahme der Tageslänge bestimmt.

„Durch den Klimawandel schmelzen die Eismassen in Grönland und der Antarktis. Das Wasser aus den Polgegenden fließt in die globalen Ozeane und vor allem auch in den Äquatorbereich“, erläutert Professor Soja. „Das heißt, es findet eine Massenverlagerung statt, und diese wirkt sich auf die Erdrotation aus erklärt Benedikt Soja. „Man kann sich das so vorstellen, wie wenn eine Eiskunstläuferin bei einer Pirouette die Arme zuerst am Körper hält und dann ausstreckt. (…) Die anfänglich schnelle Drehung wird dadurch langsamer, weil die Massen sich von der Drehachse entfernen und die physikalische Trägheit zunimmt.“

In der Physik spricht man vom Gesetz der Erhaltung des Drehimpulses, dem auch die Erdrotationsbewegung folgt. Dreht sich die Erde langsamer, so werden auch unsere Tage länger. Allerdings sei der Einfluss des Klimawandels auf die irdische Tageslänge von 86.400 Sekunden um nur einige Millisekunden nur minimal. Der Grund: Wasser fließt von den Polen in niedrigere Breiten.

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Eine andere Ursache für diese Verlangsamung ist die Gezeitenreibung, die vom Mond ausgelöst wird. Die neue Studie kommt dabei zu einem überraschenden Ergebnis: „Wenn die Menschen weiterhin mehr Treibhausgase ausstoßen und sich die Erde dementsprechend erwärmt, hätte dies letztendlich einen größeren Einfluss auf die Drehgeschwindigkeit der Erde als die Wirkung des Mondes, der seit Milliarden von Jahren die Zunahme der Tageslänge bestimmt.“

„Wir Menschen haben einen größeren Einfluss auf unsere Erde als wir denken», attestiert Benedikt Soja abschließend. „Daraus resultiert natürlich auch eine große Verantwortung für die Zukunft unseres Planeten.“

Die durch die Eisschmelze bedingten Massenverlagerungen auf der Erdoberfläche und im Erdinnern verändern aber nicht nur die Rotationsgeschwindigkeit und die Tageslänge der Erde: Wie die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen um Soja in ihrer „Nature Geoscience“-Publikation zeigen, verschieben sie auch die Rotationsachse. Das heißt, die Punkte, wo die Drehachse konkret auf die Erdoberfläche trifft, wandern.

Symbolbild.Copyright: 358611 (via Pixabay.com) / Pixabay License

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Diese Polbewegung können die Forschenden beobachten. Längerfristig liegt diese beobachtbare Polbewegung im Bereich von etwa zehn Meter pro hundert Jahre. Dabei spielen nicht nur das Abschmelzen der Eisschilde eine Rolle, sondern auch Bewegungen, die im Innern der Erde stattfinden: „So kommt es tief im Erdmantel, in dem das Gestein durch den hohen Druck zähflüssig wird, über längere Zeiträume zu Verlagerungen. Und auch im äußeren Erdkern, der aus flüssigem Metall besteht, gibt es Wärmeströmungen, die einerseits das Erdmagnetfeld erzeugen, aber auch zu Massenverschiebungen führen.

In ihrer Modellierung haben Benedikt Soja und sein Team aufgezeigt, wie sich die Polbewegung aus den einzelnen Prozessen im Kern, im Mantel und durch das Klima an der Oberfläche ergeben. „Wir präsentieren zum ersten Mal eine vollständige Erklärung für die Ursachen der langperiodischen Polbewegung“, erläutert der Sojas Doktorand Mostafa Kiani Shahvandi. „Wir wissen jetzt, warum und wie die Rotationsachse der Erde relativ zur Erdkruste wandert.“

Die Studie zeigt in besonderer Weise, dass die Prozesse auf und in der Erde miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. „Der Klimawandel verursacht eine Bewegung der Erdrotationsachse und es scheint, dass sich durch die Rückkopplung der Drehimpulserhaltung auch die Dynamik des Erdkerns verändert. (…) Der anhaltende Klimawandel könnte sich also sogar auf Prozesse tief im Erdinneren auswirken und weiter reichen als bisher angenommen. „Allerdings bestehe kaum Grund zur Sorge. Denn diese Auswirkungen seien gering und es sei unwahrscheinlich, dass davon eine Gefahr ausgehe.

Die Studienergebnisse haben auch Auswirkungen auf die Raumfahrt, denn auch wenn sich die Erdrotation nur langsam ändert, müssen die beschriebenen Effekte bei der Navigation im Weltraum berücksichtigen, beispielsweise wenn eine Raumsonde auf einem anderen Planeten landen soll. Der Grund: Auch eine Abweichung von nur einem Zentimeter auf der Erde kann über die riesigen Distanzen zu einer Abweichung von hunderten von Metern anwachsen. Auf diese Weise würde dann etwa die Landung in einem bestimmten Krater auf dem Mars nicht funktionieren.

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Recherchequelle ETH Zürich

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