Auch männliche Elefanten kommunizieren sozial im Infraschall

Geschrieben am 25.07.2024
von Andreas Müller

Lesezeit: ca. 4 Minuten Stanford (USA) – Nachdem bereits bekannt war, dass weibliche Elefanten sozialen Verhalten im Infraschall mit Artgenossen kommunizieren, ist es Verhaltensforschern und Biologinnen erstmals gelungen, nicht nur die Infraschall-Kommunikation auch bei Elefantenbullen in freier Wildbahn aufzuzeichnen, sondern dieser zugleich auch eine konkrete Bedeutung zuzuschreiben. Wie das Team um Caitlin O’Connell-Rodwell vom Center for Conservation Biology an […]Lesezeit: ca. 4 Minuten
Am Mushara-Wasserloch im Etosha-Nationalpark erweist ein männlicher Elefant von niedrigerem Rang (r.) einem dominanten Bullen seinen Respekt.Copyright: Caitlin O'Connell-Rodwell

Am Mushara-Wasserloch im Etosha-Nationalpark erweist ein männlicher Elefant von niedrigerem Rang (r.) einem dominanten Bullen seinen Respekt.
Copyright: Caitlin O’Connell-Rodwell

Stanford (USA) – Nachdem bereits bekannt war, dass weibliche Elefanten sozialen Verhalten im Infraschall mit Artgenossen kommunizieren, ist es Verhaltensforschern und Biologinnen erstmals gelungen, nicht nur die Infraschall-Kommunikation auch bei Elefantenbullen in freier Wildbahn aufzuzeichnen, sondern dieser zugleich auch eine konkrete Bedeutung zuzuschreiben.

Wie das Team um Caitlin O’Connell-Rodwell vom Center for Conservation Biology an der Stanford University aktuell im Fachjournal „PeerJ“ (DOI: 10.7717/peerj.17767) berichtet, gelang die Beobachtung, Aufzeichnung und Auswertung am Mushara-Wasserloch im Etosha-Nationalpark in Namibia. Hier versammeln sich Elefantenbullen in der kühlen Abendluft, um zu trinken. „Nach einer Weile hebt ein älterer Bulle seinen Kopf und wendet sich vom Wasserloch ab. Mit sanft flatternden Ohren lässt er ein tiefes, resonantes Rumpeln ertönen. Nacheinander antworten die anderen, ihre Stimmen überlappen sich in einem klangvollen, infrasonischen Chor, der über die Savanne flüstert. Dieses Elefanten-Barbershop-Quartett vermittelt eine klare Botschaft: Es ist Zeit, weiterzuziehen.“ Tatsächlich bewegen sich die Elefanten danach allmählich ihre massigen Körper wiegend, während sie ihrem rumpelnden Anführer zum nächsten Halt ihrer nächtlichen Wanderung folgen.

Entsprechenden Rufe werden immer von den am stärksten sozial integrierten und oft dominanten Männchen in engen sozialen Gruppen initiiert. Das Verhalten der männlichen Elefanten sei überraschend, da ein solches Verhalten bisher als exklusiv für weibliche Elefanten in Familiengruppen angesehen wurde.

„Wir waren erstaunt zu entdecken, dass männliche Elefanten, die typischerweise als weniger sozial gebunden gelten, eine so raffinierte stimmliche Koordination einsetzen, um Handlungen auszulösen“, erläutert O’Connell-Rodwell. „Diese Rufe zeigen uns, dass es in ihrer stimmlichen Kommunikation viel mehr gibt, als bisher bekannt war.“

Zum ersten Mal gelang den Forschenden um O’Connell-Rodwell die Aufnahmen des männlichen „Let’s Go“-Rumpelns 2004 während nächtlicher Beobachtungen. Von 2005 bis 2017 sammelte das Team dann weitere Daten am Mushara-Wasserloch, hauptsächlich während der Trockenzeiten. Hierzu nutzten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hochmoderne Aufnahmetechniken, darunter vergrabene Mikrofone und Nachtsicht-Videokameras, um die für menschliche Ohren unhörbaren Infraschall-Rufe und das Verhalten der männlichen Elefanten zu erfassen.

Danach analysierten die Forschenden die Rufe auf akustische Eigenschaften und Muster, um Beziehungen und Hierarchien unter den Männchen zu verstehen, wobei sie feststellten, welche Elefanten die Rufe initiierten, wie andere darauf reagierten und die Abfolge der Ereignisse, die zu den koordinierten Abgängen führten.

Hintergrund
Elefanten sind gesprächig und kommunizieren miteinander nicht nur visuell, olfaktorisch und taktil, sondern auch vokal. Ihre Rufe übermitteln viele Informationen, darunter die Identität des Anrufers, das Alter, das Geschlecht, den emotionalen Zustand und den Verhaltenskontext.

Die Vokalisierungen – vom Trompeten bis zum leisen Brummen ihrer Stimmritzen – erstrecken sich über ein breites Frequenzspektrum, einschließlich Infraschallwellen unterhalb der hörbaren Reichweite des menschlichen Ohres. Elefanten können Gruppenbewegungen über weite Entfernungen koordinieren, indem sie diese Rufe verwenden.

Die beobachteten „Let’s Go“-Rumpeln bei männlichen Elefanten weisen auffällige Ähnlichkeiten mit denen auf, die zuvor bei weiblichen Elefanten aufgezeichnet wurden. Tatsächlich vermuten O’Connell-Rodwell und ihr Team, dass männliche Elefanten dieses Verhalten wahrscheinlich als Jungtiere von weiblichen Tieren erlernen. „Sie wuchsen in einer Familie auf, in der alle weiblichen Anführer dieses Ritual vollzogen“, sagte O’Connell-Rodwell. „Wir denken, dass sie, wenn sie heranwachsen und ihre eigenen Gruppen bilden, diese gelernten Verhaltensweisen anpassen und nutzen, um sich mit anderen Männchen zu koordinieren.“

„Sowohl bei männlichen als auch bei weiblichen Elefanten folgt auf den Ruf des Initiators das Rumpeln des nächsten Individuums, wobei jeder Elefant wartet, bis der vorherige Ruf fast beendet ist, bevor er seine eigene Stimme hinzufügt. Dies schafft ein harmonisches, turnusmäßiges Muster, ähnlich einem Barbershop-Quartett“, erklärte O’Connell-Rodwell und führt dazu weiter aus: „Es ist sehr synchronisiert und ritualisiert. Wenn einer hochgeht, geht der andere tief, und sie haben diesen stimmlichen Raum, in dem sie sich koordinieren.“

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Diese Studie folgt einer früheren bahnbrechenden Studie, die mittels künstlicher Intelligenz aufzeigen konnte, dass wilde Elefanten individuelle Namen füreinander haben, was auf die Verwendung von Substantiven in ihrer Kommunikation hinweist (…GreWi berichtete). „In unserer Arbeit zeigen wir, dass Elefanten Verben in Form dieses ‚Let’s Go‘-Rumpelns verwenden. Wenn sie Substantiv-Verb-Kombinationen zusammen verwenden, ist das Syntax. Das ist Sprache“, sagt O’Connell-Rodwell.

Neben diesen linguistischen Erkenntnissen zeigt die Studie zudem, dass einige dominante männliche Elefanten innerhalb ihrer sozialen Gruppen wichtige Rollen spielen, um den Zusammenhalt und Stabilität aufrechtzuerhalten: „Diese Individuen übernehmen Mentorenrollen“, sagte O’Connell-Rodwell. „Sie kümmern sich um diese jungen Schnösel, die sehr bedürftig sind und immer körperlichen Kontakt suchen. Die älteren Männchen sind bereit, sie unter ihre Fittiche zu nehmen, sie zu führen, Ressourcen mit ihnen zu teilen und an ihren emotionalen Höhen und Tiefen teilzuhaben. (…) In Ländern, die Jagd auf Elefanten erlauben, sollte daher darauf geachtet werden, ältere, sozial vernetzte männliche Elefanten nicht zu jagen, fügte sie hinzu, da deren Entfernung den sozialen Zusammenhalt und die Mentorenstrukturen innerhalb der Elefantenpopulationen stören könnte.“

Die Forschung legt auch nahe, dass starke soziale Bindungen und Interaktionen für das Wohlbefinden von gefangenen und halbgefangenen männlichen Elefanten entscheidend sind und die Notwendigkeit betonen, Umgebungen zu schaffen, die diese sozialen Strukturen unterstützen: „Unsere Ergebnisse unterstreichen nicht nur die Komplexität und den Reichtum des Soziallebens männlicher Elefanten“, so O’Connell-Rodwelle abschließend, „sondern erweitern auch unser Verständnis dafür, wie sie Rufe in Ritualen und Koordination verwenden und bringen uns wirklich näher an die Vorstellung einer Elefantensprache heran.“

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Recherchequelle: Stanford University

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