Mikroben-Oase unterhalb der trockensten irdischen Wüste entdeckt

Geschrieben am 24.04.2024
von Andreas Müller

Lesezeit: ca. 4 Minuten Potsdam (Deutschland) – Wegen ihrer extreme Trockenheit galten die Böden der Atacama Wüste bislang als leblos. Doch genau hier haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nun einen bislang unbekannten und unerforschten mikrobischen Lebensraum im Untergrund entdeckt. Die Entdeckung hat möglicherweise auch Auswirkungen auf die Suche nach außerirdischem Leben haben. Wie das Team um Lucas Horstmann und Dirk […]Lesezeit: ca. 4 Minuten
Blick in die Yungay-Playa in der Atacama-Wüste.Copyright: D. Wagner, GFZ

Blick in die Yungay-Playa in der Atacama-Wüste.
Copyright: D. Wagner, GFZ

Potsdam (Deutschland) – Wegen ihrer extreme Trockenheit galten die Böden der Atacama Wüste bislang als leblos. Doch genau hier haben Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nun einen bislang unbekannten und unerforschten mikrobischen Lebensraum im Untergrund entdeckt. Die Entdeckung hat möglicherweise auch Auswirkungen auf die Suche nach außerirdischem Leben haben.

Wie das Team um Lucas Horstmann und Dirk Wagner vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ u.a. zusammen mit Kollegen von der TU Berlin und der Universität Antofagasta aktuell im Fachjournal „PNAS Nexus“ (DOI: 10.1093/pnasnexus/pgae123) berichten, gelang die Entdeckung in der Yungay-Playa, eines der trockensten Gebiete in der chilenischen Atacama-Wüste, auf der Grundlage neu entwickelter Methoden der molekularen DNA-Analyse, die ausschließlich die Gewinnung und Untersuchung intrazellulärer DNA ermöglicht. „Diese stammt von intakten Zellen lebender oder ruhender Organismen, sodass es auf diese Weise gelang, in hyperariden Böden bis zu einer Tiefe von 4,20 Metern lebensfähige und potenziell aktive mikrobielle Gemeinschaften nachzuweisen“, erläutert die GFZ-Pressemitteilung.

Die Entdeckung der mikrobiellen Oase erweitert somit nicht nur unser Verständnis über die biologische Vielfalt in einer Region, in der extreme Bedingungen wie Trockenheit, Salzgehalt und Nährstoffmangel nahe an den Grenzen für die Existenzfähigkeit von Leben liegen, sie könnten auch Auswirkungen auf die Suche nach Leben auf andere Planeten haben.

Hintergrund: Extrem-Lebensraum Wüste
Wüsten stellen eines der größten und zugleich empfindlichsten Ökosysteme der Erde dar. Die 105.000 Quadratkilometer große Atacama-Wüste im Norden Chiles gilt als die trockenste heiße Wüste der Welt. Sie ist daher für die Erforschung dieses Lebensraums ein äußerst relevanter und geeigneter Ort. Flachere Bereiche bis etwa einen Meter Tiefe sind bereits untersucht worden. Obwohl die Bedingungen dort zu den härtesten und lebensbedrohlichsten gehören, beherbergen sie mikrobielles Leben. Da es keine regelmäßigen Niederschläge gibt, sind Mikroorganismen die wichtigste ökologische Komponente, die Nährstoffflüsse vermittelt, indem sie Bodenbestandteile wie Mineralien und Salze sowie atmosphärische Gase als Energie- und Wasserquelle nutzen. „Die Untersuchung der mikrobiellen Vielfalt und Verteilung ist von entscheidender Bedeutung, um die zentrale Rolle mikrobieller Prozesse in Wüstenökosystemen vollständig zu verstehen. Das gilt vor allem auch im Hinblick auf die künftige Entwicklung solcher Lebensräume, insbesondere vor dem Hintergrund des Klimawandels“, sagt Dirk Wagner, Leiter der GFZ-Sektion Geomikrobiologie und einer der Leiter der Studie. (Quelle: GFZ)

Der nun neu entdeckte Nischen-Lebensraum in bis zu  4,2 Meter tief im Untergrund, ist zum einen vor schädlicher UV-Strahlung geschützt und verfügt zum anderen über ausreichend Wasser, damit mikrobielles Leben gedeihen kann.

Durch die intrazelluläre DNA-Extraktion und anschließende Gen-Sequenzierung der Proben konnten die Forschenden in den oberen 80 Zentimetern vorwiegend Mikroben vom Typ Firmicutes identifizieren, deren Menge aber mit zunehmender Tiefe und damit ebenfalls zunehmenden Mengen löslicher Salze abnahm. Es wird vermutet, dass die hohe Salzkonzentration und die zunehmende Wasserknappheit auch dafür verantwortlich sein könnten, dass die mikrobielle Besiedelung im unteren Teil der Playa-Sedimente bis in zwei Meter Tiefe ganz zum Erliegen kommt.

Während dieses Muster schon zuvor aus Wüsten bekannt war, entdeckte das Team um Horstmann und Wagner nun aber in den unterhalb von zwei Metern liegenden Schwemmfächerablagerungen erneut eine Mikrobengemeinschaft: „Sie ist vielfältiger als die Oberflächengemeinschaft und wahrscheinlich vollständig von der Oberfläche isoliert. Sie bestand hauptsächlich aus Bakterien, die zu den Actinobacteriota gehören, einer Gruppe mit spezialisierten Vertretern, die häufig in trockenen oder ursprünglichen Böden zu beobachten sind.“

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Die Existenz dieser Mikroben könnte mit dem Vorhandensein von vesikulärem Gips zusammenhängen, der durch die Auflösung in Anhydrit möglicherweise eine alternative Wasserquelle bietet. Die in dieser Studie beobachteten Organismen hatten genetische Ähnlichkeit zu Arten, die Spurengase wie Wasserstoff als Energiequelle einsetzen können, um CO2 als Kohlenstoffquelle für ihr Wachstum zu nutzen.

„Diese Art des Stoffwechsels, Chemolithoautotrophie genannt, wurde in anderen Studien als wichtig für hyperaride Böden vorgeschlagen, in denen organisches Material als Kohlenstoffquelle extrem begrenzt ist. Dieser Stoffwechseltyp könnte auch für die isolierten unterirdischen Nischen wesentlich sein, die in dieser Studie untersucht wurden“, sagt Erstautor Lucas Horstmann. „Die Entdeckung dieser unterirdischen Gemeinschaft, die in Schwemmfächer-Sedimenten unterhalb von zwei Meter Tiefe gedeiht und dabei eine erstaunliche Vielfalt und ökologische Stabilität aufweist, stellt unser derzeitiges Verständnis von Wüstenökosystemen in Frage.“

Profilansicht des untersuchten Aushubs.Copyright/Quelle: D. Wagner, GFZ

Profilansicht des untersuchten Aushubs.
Copyright/Quelle: D. Wagner, GFZ

Wagner, Horstmann, Kolleginnen und Kollegen vermuten, dass die Mikroben-Gemeinschaft den Boden bereits vor 19.000 Jahren kolonisiert haben könnte, bevor er von Playa-Ablagerungen begraben wurde. Laut ihrer. Hypothese auf, dass sie sich über eine unbekannte Entfernung nach unten fortsetzen könnte und eine bisher unbekannte Tiefenbiosphäre unter hyper-trockenen Wüstenböden darstellt.

„In Anbetracht der weiten Verbreitung von Trockengebieten auf unserem Planeten hat das Vorhandensein potenziell kohlenstoffbindender Gemeinschaften in bisher unerforschten unterirdischen Böden nicht nur tiefgreifende Auswirkungen auf die biologische Vielfalt in Wüsten, sondern auch auf die Elementkreisläufe auf globaler Ebene“, sagt Co-Autor Dirk Wagner. „Dies deutet darauf hin, dass die Bedeutung dieser Lebensräume bisher unterschätzt wurde. Und es unterstreicht die Bedeutung der unterirdischen Lebensräume für ein umfassendes Verständnis der Wüstenökosysteme in der Zukunft.“

Abschließend betonen die Forschenden, dass die Ergebnisse nicht nur Auswirkungen auf unsere Erde haben, sondern auch für die laufenden Diskussionen über die Suche nach Leben auf anderen Planeten von Bedeutung sind: „Das Vorhandensein von Gipsablagerungen auf dem Mars, die denen in den Schwemmfächersedimenten ähneln, ist für die Astrobiologie von großem Interesse. Die Assoziation dieser unterirdischen Lebensgemeinschaften mit gipshaltigen Substraten in der Atacama könnte ein weiterer Hinweis darauf sein, dass Gipsablagerungen auf dem Mars nicht nur auf die Möglichkeit von flüssigem Wasser in der Vergangenheit hinweisen, sondern auch als bewohnbare Nische für mikrobielles Leben in der Gegenwart dienen könnten.“

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Recherchequelle: GFZ

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