Juristisches Fachbuch untersucht mögliche Folgen und Konsequenzen eines Kontakts mit Außerirdischen

Geschrieben am 30.01.2024
von Andreas Müller

Lesezeit: ca. 4 Minuten Durham (Großbritannien) – In seinem Fachbuch „Contact with Extraterrestrial Intelligence and Human Law“ analysiert national und international erfahrende Richter und Juraprofessor Dr. Michael Bohlander das hypothetische Szenario eines Erstkontakts mit außerirdischen Intelligenzen aus der Perspektive, die ein solches Ereignis für Fragen der Menschenrechte und  des Kriegsvölkerrechts haben könnte. Ein spannendes und teilweise beunruhigendes Gedankenspiel zu […]Lesezeit: ca. 4 Minuten
Titelabbildung: „Contact with Extraterrestrial Intelligence and Human Law“.Copyright: Brill Nijhoff, 2023

Titelabbildung: „Contact with Extraterrestrial Intelligence and Human Law“.
Copyright: Brill Nijhoff, 2023

Durham (Großbritannien) – In seinem Fachbuch „Contact with Extraterrestrial Intelligence and Human Law“ analysiert national und international erfahrende Richter und Juraprofessor Dr. Michael Bohlander das hypothetische Szenario eines Erstkontakts mit außerirdischen Intelligenzen aus der Perspektive, die ein solches Ereignis für Fragen der Menschenrechte und  des Kriegsvölkerrechts haben könnte. Ein spannendes und teilweise beunruhigendes Gedankenspiel zu einem Szenario,auf das unsere Gesellschaften bis heute nicht koordiniert vorbereitet sind.

Für Bohlander ist es statistisch gesehen unwahrscheinlich, dass der Mensch die einzige intelligente Spezies im Universum ist. „Über die Anderen wird jedoch solange nichts bekannt, bis der Kontakt hergestellt wird, abgesehen von einem Funksignal aus dem Weltraum, das uns lediglich mitteilt, dass sie existierten, als es gesendet wurde. Dieser Kontakt kann morgen, in hundert Jahren oder nie stattfinden. Sollte dies der Fall sein, wäre das ein Hochrisikoszenario für die Menschheit. Es kann friedlich oder feindselig sein.“

Sich auf außerirdischen Altruismus und wohlwollende Absichten zu verlassen, hält der Autor für Wunschdenken: „Wir müssen damit beginnen, uns als planetarische Spezies zu identifizieren und einen globalen Konsens darüber entwickeln, wie wir in beiden Szenarien reagieren sollen.“

Mit diesen Worten ist der Inhalt des juristischen Fachbuches, das im August 2023 bei Brill Nijhoff in der Reihe „Studies in International Criminal Law, 5“ in englischer Sprache erschienen ist, das sich aber auch dem juristischen Laien durchaus erschließt, gesetz.

Prof. Michael Bohlander

Prof. Michael Bohlander

Michael Bohlander ist seit 2004 Professor an der Durham University und seit  2022 Inhaber des Lehrstuhls für globales Recht und SETI-Strategie. Zuvor war Bohlander 13 Jahre lang Richter in Zivil- und Strafsachen in Thüringen. Seit 2015 ist er Richter an den Außerordentlichen Kammern bei den Gerichten Kambodschas (das sog. Rote-Khmer-Tribunal); 2017–2000 war er außerdem Richter an den Kosovo Specialist Chambers in Den Haag. Er ist Mitglied des SETI Post-Detection Hub (Universität St Andrews); wissenschaftlicher Beirat Interdisziplinären Forschungszentrum für Extraterrestrik (IFEX – Universität Würzburg) und Mitglied des International Institute of Space Law.

Nach ausführlichen Einführungen und Erläuterungen zur Suche nach außerirdischer Intelligenz (SETI) und den bekannten und bereits vielfach diskutierten Kontaktszenarien, sowie zu Fragen der Möglichkeiten der Kommunikation zwischen zwei völlig fremden Arten, geht das Buch zunächst auf das Szenario eines Erstkontakts mit uns gegenüber feindlich gesinnten Außerirdischen ein: Welche rechtlichen Regelungen gibt es in einem solchen Fall? Gelten für Konflikte und Kriege gegen eine außerirdische Übermacht die gleichen Regeln wie bei einem mehr oder weniger ausgewogenen Konflikt zwischen irdischen Nationen?

An anderer Stelle fragt Bohlander, was wir als irdische Zivilisation bereit wären zu opfern oder einzubringen, wenn wir selbst bei einem friedlichen Kontakt von uns technologisch und wissenschaftlich überlegenen Außerirdischen das Angebot der Hilfe zur Lösung unserer irdischen Probleme (Klimawandel, Umweltzerstörung, Hunger und Armut, Krankheiten, kriegerische Auseinandersetzungen usw.) oder zur Aufnahme in einer Art galaktischer Gemeinschaft erhielten?

Im Gespräch mit GreWi-Hrsg. Andreas Müller erläuterte Bohlander Letzteres mit einem bekannten literarischen Bild: „Wir kennen Narrative aus Sagen und Legenden, wenn etwa die Götter Menschenopfer fordern, um einer Gemeinschaft Frieden und Wohlstand zu garantieren. In einem auf einen angedachten Erstkontakt übertragenen Sinne könnten auch wir mit ähnlichen Forderungen konfrontiert werden. Dann würde sich auch uns die Frage stellen, welche Opfer wir bereit wären, zu erbringen? Würden wir dafür vielleicht sogar Abstriche von den Menschenrechten in Kauf nehmen? Das sind unangenehme Fragen, aber wir sollten sie uns stellen, um nicht irgendwann unvorbereitet von einer solchen Situation überrascht zu werden.“

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Weiterhin untersucht das 267 Seiten umfassende Buch Fragen danach, wer die juristische Verantwortung tragen würde, wenn feindlich gesinnte Außerirdische erst durch das Senden von Botschaften ins All auf unsere Existenz aufmerksam wurden? „Wer darf und sollte überhaupt für die Menschheit sprechen? Diese Frage und ihre möglichen Konsequenzen sind völlig unbeantwortet und dennoch praktizieren wir genau solche Experimente im Rahmen verschiedener SETI und METI-Projekte schon lange“, so Bohlander.

In seinem Buch geht der Autor der Frage nach, welche, vielleicht kriegsvölkerrechtlichen Grundlagen wir in einem Konfliktfall mit Außerirdischen für und auf außerirdische Kriegsverbrecher anwendbar wären. Würde etwa die Genfer Konvention auch für Aliens gelten? Wäre irdisches Recht überhaupt auf eine nicht-irdische Spezies anwendbar? Wären unsere menschlichen Maßstäbe von „gut“ und „böse“ überhaupt auf Außerirdischer übertragbar? Wo und für wen würde welches Recht gelten, wenn es grundsätzlich unterschiedliche Wertesysteme vorliegen?

Und natürlich stellen sich alle diese Fragen auch umgekehrt, also für den Fall, dass die Menschheit eines Tages auf eine ihre unterlegene, erst weniger technologisch entwickelte außerirdische Spezies treffen würde. So oder so könne sich die Menschheit nicht auf die Hoffnung auf einen ausschließlich freundlichen Erstkontakt verlassen.

In seinem Buch zitiert Bohlander den US-amerikanischen Astronomen und Wissenschaftshistoriker Steven J. Dick mit den Worten: „Die Begegnung mit Außerirdischen wird eine Erfahrung sein, bei der wir es uns nicht leisten können, Fehler zu machen. In vielerlei Hinsicht und mehr als je zuvor ist Scheitern keine Option.“

Mit seiner Forderung, uns möglichst bald und überhaupt mit diesen Fragen auseinanderzusetzen, stimmt Michael Bohlander mit zahlreichen anderen Experten zu diesen Fragen überein, die attestieren, dass wir bis heute so gut wie gar nicht auf einen Erstkontakt vorbereitet sind. Weder politisch, sozial, religiös und eben auch nicht juristisch. Bohlanders Buch macht hier einen wichtigen und umfassenden Anfang.

GreWi meint: Ein absolutes Muss nicht nur für Juristen, sondern für alle an der Thematik des Erstkontakts interessierte Leserinnen und Leser. Leider dürfte der Preis von 127 Euro (direkt beim Verlag) bzw. 155 Euro einer weiten Verbreitung dieses Standardwerks allerdings im Wege stehen. Ob in absehbarer Zeit einer günstigere eBook-Variante zu erwarten ist, war zum Redaktionsschluss dieser Buchvorstellung leider noch nicht bekannt.

Michael Bohlander
Contact With Extraterrestrial Intelligence and Human Law: The Applicability of Rules of War and Human Rights
Brill Nijhoff, 2023
267 Seiten, ISBN: 978-9004677692,

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