Beatriz Villeroi: Das „Rätsel der verschwundenen Sterne“ und die UFO-Welle von Washington 1952

Geschrieben am 23.01.2024
von Andreas Müller

Lesezeit: ca. 10 Minuten Die Astronomin Beatriz Villarroel leitet mit „VASCO“ das Projekt „Vanishing & Appearing Sources while a Century of Observations“ uznd sucht darin mit ihrem Team auf alten astronomischen Fotoplatten aus der Zeit vor dem ersten menschlichen Satelliten „Sputnik“ nach sternenähnlichen Objekten, die schon auf Folgeaufnehmen und auch später nicht mehr zu sehen, offenbar also verschwunden sind. […]Lesezeit: ca. 10 Minuten
Abb. 1. Das linke Bild zeigt fünf Transienten am 27. Juli 1952 auf einer Fotoplatte der First Palomar Sky Survey. Das rechte Bild zeigt eine Aufnahme des selben Sternenfeldes in der Second Palomar Sky Survey, etwa 30 Jahre später.Quelle: Villarroel, Solano et al., 2022, arXiv. (Hinweis: Im arXiv-Artikel wird das Datum fälschlicherweise als 28. Juli 1952 angegeben.)

Abb. 1. Das linke Bild zeigt fünf Transienten am 27. Juli 1952 auf einer Fotoplatte der First Palomar Sky Survey. Das rechte Bild zeigt eine Aufnahme des selben Sternenfeldes in der Second Palomar Sky Survey, etwa 30 Jahre später.
Quelle: Villarroel, Solano et al., 2022, arXiv. (Hinweis: Im arXiv-Artikel wird das Datum fälschlicherweise als 28. Juli 1952 angegeben.)

Die Astronomin Beatriz Villarroel leitet mit „VASCO“ das Projekt „Vanishing & Appearing Sources while a Century of Observations“ uznd sucht darin mit ihrem Team auf alten astronomischen Fotoplatten aus der Zeit vor dem ersten menschlichen Satelliten „Sputnik“ nach sternenähnlichen Objekten, die schon auf Folgeaufnehmen und auch später nicht mehr zu sehen, offenbar also verschwunden sind. Im hiesigen Gastbeitrag beschreibt die Astronomin, zwei der bislang eindrucksvollsten Fälle solcher verschwundenen „Sterne“ und diskutiert das zeitliche Zusammentreffen dieser Ereignisse mit der UFO-Welle über der US-Hauptstadt im Juli 1952.

– Bei dem folgenden Artikel handelt es sich um einen GreWi-Gastbeitrag von Dr. Beatriz Villarroel, der mit freundlicher Genehmigung der Autorin von Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) ins Deutsche übersetzt wurde und der ursprünglich im Englischen original unter dem Titel „The Vanishing Star Enigma and the 1952 Washington D.C. UFO Wave“ auf TheDebrief.org am 21. Januar 2024 erstveröffentlicht wurde. Die Aussagen und Inhalte sind die der Autorin.

Während wir in den Sternenhimmel blicken, blicken unzählige Himmelskörper lautlos auf uns herab. Die meisten davon existieren seit Milliarden von Jahren, während sich Sternprozesse langsam entfalten, von ihrer Geburt bis zu ihrem endgültigen Untergang. Das Licht von anderen Himmelsobjekten hat uns erst vor kurzem erreicht, obwohl diese Himmelsköprer schon lange vergangen sind. In anderen Fällen treten schnelle Veränderungen am Himmel in Zeiträumen von nur Sekunden oder Minuten auf, beispielsweise wenn ein Zwergstern kurzzeitig aufflammt oder wenn ein menschlicher Satellit unser Sichtfeld kreuzt. Mein Team hat nach Objekten gesucht, die möglicherweise verschwunden sind. Als unerwartetes Ergebnis unserer Suche fanden wir Fälle, in denen innerhalb einer Stunde mehrere sternähnliche Objekte (sog. Transienten) in einem kleinen Bild erschienen und verschwanden, und noch seltsamer: Zwei unserer hellsten Fälle ereigneten sich im Juli 1952, zeitlich zusammenfallend mit der UFO-Überflugswelle von Washington D.C. im Jahr 1952. Aber was haben wir tatsächlich herausgefunden und wie hängen diese beiden Ereignisse möglicherweise miteinander zusammen?

Im Projekt „Vanishing & Appearing Sources while a Century of Observations“ (VASCO) hat sich unser Team der Suche nach Himmelsobjekten gewidmet, die über einen Zeitraum von 70 Jahren verschwunden sind. Angesichts der Milliarden von Jahren, die ein massearmer Stern benötigt, um sich in einen Weißen Zwerg zu verwandeln, sind siebzig Jahre nur ein flüchtiger kosmischer Moment. Aber 70 Jahre sind auch viel länger als die Zeit, die ein Satellit benötigt, um das Sichtfeld eines Teleskops zu durchfliegen. Unser ursprüngliches Ziel bestand darin, nach einem verschwundenen Stern zu suchen, in der Hoffnung, Fälle zu entdecken, in denen ein Stern direkt zu einem Schwarzen Loch kollabiert (gescheiterte Supernova), ein von Supernova-Theoretikern vorhergesagtes Ereignis.

Alternativ waren wir aber auch von der Aussicht fasziniert, einen Stern zu finden, der völlig ohne Spur oder Erklärung verschwindet; ein mögliches Zeichen einer hochentwickelten Zivilisation. Allerdings war diese Aufgabe alles andere als einfach.

Ein Kollege hat zwei Jahre lang leistungsstarke Methoden [5] entwickelt, um die riesigen Terabytes an Bilddaten zu durchsuchen. Parallel dazu führten (und führen wir immer noch) gemeinsam mit Wissenschaftlern, Amateurastronomen und Studenten vor allem in Algerien und Nigeria ein Citizen-Science-Projekt durch, um nach diesen verschwindenden Sternen zu suchen. Für unsere Suche verwendeten wir einen Objektkatalog des US Naval Observatory (USNO) sowie Archivbilder aus den frühen 1950er Jahren, die am Palomar Observatory in Kalifornien aufgenommen wurden. Die Bilder von Palomar stammen aus der Zeit vor den Anfängen der bemannten Weltraumforschung. Damals war der Nachthimmel noch makellos – ganz anders als der heutige Himmel, der mit Zehntausenden Trümmerstücken menschlicher Satelliten in Umlaufbahnen um die Erde übersät ist, von denen viele Blitze erzeugen, die Bruchteile einer Sekunde dauern, während sie das Sonnenlicht reflektieren und durch den Weltraum rasen. Diese Bilder haben wir auf unserer Suche nach verschwundenen und verschwindenden Objekten mit den modernen Datenbanken der Palomar Sky Survey, von PanSTARRS und dem Gaia-Satelliten verglichen. Wir haben immer noch keinen einzigen gescheiterten Supernova-Kandidaten gefunden.

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Unsere Erkundung hat uns jedoch zu einer nicht minder interessanteren Entdeckung geführt: Mehrere Bilder, auf denen mehrere sternähnliche Objekte in einem einzigen Schnappschuss des Himmels auftauchen und nie wieder gesehen werden.

In einem konkreten Fall [1] waren in einem Bild, das am 12. April 1950 während einer 50-minütigen Belichtung aufgenommen wurde, neun schwache Objekte sichtbar, die wie Sterne aussahen. Allerdings fehlten sie auf dem Bild, das nur 30 Minuten zuvor aufgenommen wurde, und ebenso auf einem anderen Bild, das sechs Tage später aufgenommen wurde.

Wir haben alle verfügbaren Archive durchsucht, um diese neun Objekte zu finden. Wir richteten das größte optische Teleskop der Welt, das Gran Telescopio Canarias, mit seiner Öffnung von 10,4 Metern auf die Orte, an denen sich diese Transienten aufgehalten hatten. Es wurde nichts gefunden. Die Objekte waren einfach verschwunden.

Angesichts der schwachen Natur dieser Objekte und ihrer Nähe zur Nachweisgrenze fragten wir uns, ob es sich um Scheinobjekte handelte, die durch eine seltene Kontamination mit zufällig sternförmigen Formen (Plattendefekten) verursacht wurden, die möglicherweise durch geheime Atombombentests verursacht wurden, oder ob es sich bei diesen Phänomene eben doch um authentische Beobachtungen handelte. Künstliche Objekte in hochgelegenen Umlaufbahnen, Zehntausende Kilometer über der Erdoberfläche, könnten möglicherweise ähnliche Blitze erzeugt haben, wenn sie taumelten und so Sonnenlicht reflektierten. Ein Aufblitzen könnte aber auch durch das Eigenlicht eines Objekts erzeugt worden sein.

Um weitere Hinweise auf künstliche Objekte außerhalb der Erdatmosphäre zu finden, kann man nach mehreren Transienten suchen, die darüber hinaus auch ausgerichtet sind [2]. Satellitenreflexionen können sich je nach Variablen wie Geometrie, Rotationsgeschwindigkeit und den Abmessungen unseres Sichtfelds entweder als einzelner Lichtblitz oder als Folge aufeinanderfolgender Blitze entlang einer Linie manifestieren. Durch die ausschließliche Verwendung von Katalogen aus der Zeit vor Sputnik wird außerdem sichergestellt, dass nur nichtmenschliche Objekte enthalten sind.

Ein Whitepaper, das diese Suche nach Technosignaturen im Detail beschreibt, einschließlich der begleitenden statistischen Analyse, wurde einem Peer-Review unterzogen und 2022 im Fachjournal „Acta Astronautica“ veröffentlicht.

Dann haben wir die Suche durchgeführt. Wir haben zwei Kandidaten identifiziert, die statistisch signifikant waren und unwahrscheinliche Angleichungen von Transienten aufwiesen, sowie drei weitere statistisch schwächere Kandidaten (insgesamt 5 Kandidaten).

Unser bester Kandidat, Kandidat 5, hatte eine Wahrscheinlichkeit von p ~ 0,0001, zufällig zu existieren (siehe Abbildung 1 unten). Bedauerlicherweise lehnte eine Fachzeitschrift nach der anderen ab, unsere Arbeit zur Begutachtung durch Fachkollegen [Peer-Review] einzusenden, mit der Begründung, dass das Thema der Arbeit „außerhalb des Rahmens der Zeitschrift“ liege. Nur eine Zeitschrift schickte den Artikel an die Gutachter, doch auch hier wurde der Artikel nach mehreren verwirrenden Runden abgelehnt. Der Fachartikel ist dennoch auf dem arXiv-Preprint-Server zu finden.

In der Zwischenzeit setzte unser Team seine Suchbemühungen fort. Vor einem Jahr stellte mein Kollege dem Team einen Fall vor, den er bei den automatisierten Durchsuchungen aufgedeckt hatte [5]. Das Bild zeigte drei helle und schöne Objekte, die genau wie Sterne in einem POSS-I-Bild vom 19. Juli 1952 aussahen und innerhalb einer Plattenbelichtung erschienen und wieder verschwanden [3] (siehe Abbildung 2 unten).

Die drei hellen Objekte schienen so real wie Beteigeuze selbst zu sein. Wir haben eine Gravitationslinsen-Hypothese untersucht und dabei die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass ein massives Vordergrundobjekt das vorbeiziehende Licht so beugen könnte, dass drei Bilder scheinbar nur einen Moment später verschwinden. Vielleicht könnte ein supermassereiches Schwarzes Loch, das sich nur wenige Lichtjahre von der Erde entfernt befindet und eine zehnmal größere Masse als das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße hat, den dreifachen Übergang erklären? Wir waren nicht überzeugt.

Der Artikel hierzu wurde kürzlich in den „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ veröffentlicht.

Abb. 2: Das linke Bild zeigt drei Transients am 19. Juli 1952 in der First Palomar Sky Survey. Das rechte Bild zeigt den selben Himmelsausschnitt aus der Second Palomar Sky Survey, rund 30 Jahre später. Quelle: Solano, Marcy et al., 2023.

Abb. 2: Das linke Bild zeigt drei Transients am 19. Juli 1952 in der First Palomar Sky Survey. Das rechte Bild zeigt den selben Himmelsausschnitt aus der Second Palomar Sky Survey, rund 30 Jahre später. Quelle: Solano, Marcy et al., 2023.

Schauen wir uns nun den Zeitraum der Beobachtungen genauer an. Der Juli 1952 war ein ganz besonderer Monat in Washington D.C.: Zwischen dem 12. und 29. Juli 1952 kam es hier zu einer Vielzahl von UFO-Sichtungen, bei denen es sich um gleichzeitige Radarsichtungen handelte und es sogar zu Situationen kam, bei denen ein Navy-Pilot autorisiert war ein Objekt abschießen (mit einigen angesammelten Trümmern). Die meisten Sichtungen fanden an zwei Wochenenden statt: dem 19. – 20. Juli und dem Wochenende vom 26. – 27. Juli 1952. Aus einer offiziellen Aufzeichnung der National Archives of Australia geht hervor, dass die durchschnittliche monatliche Zahl der UFO-Meldungen über Sichtungen zwischen 1948 und 1951 bei 15 pro Monat lag, es im Juli 1952 jedoch etwa 536 Meldungen gab. Die US Air Force hielt dort eine große Pressekonferenz am Pentagon (die größte Pressekonferenz seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs) und behauptete, dass die Radarbeobachtungen durch Temperaturinversionen verursacht wurden, und zitierte eine Theorie, die vom Astronomen und UFO-Skeptiker Donald Menzel, der über die höchste Informationsbefugnisse innerhalb der „National Security Agency“ [dem größten US-Auslandsgeheimdienst] verfügte, [6,7]. Weitere Arbeiten ließen jedoch ernsthafte Zweifel an Menzels Erklärung aufkommen. Auch die US Air Force selbst versäumte es, neben den Radarortungen die zahlreichen Augenzeugenberichte zu erklären.

Und hier wird es nun spannend: Die drei von uns gefundenen Transienten wurden tatsächlich in der Nacht des 19. Juli 1952 beobachtet, die mit dem ersten Wochenende der UFO-Überflüge in Washington zusammenfiel – ein Zufall, der erstmals meinem Freund David Altman auffiel.

GreWi-Hintergrund: UFO-Welle über Washington 1952
Vom 12. bis 29. Juli 1952 kam es über der US-Hauptstadt Washington (D.C.) zu einer Reihe von UFO-Sichtungen, einer sogenannten UFO-Welle, als sowohl Augenzeugen wie auch Radars unidentifizierte Flugobjekte bzw. Phänomene über der Stadt sahen und anzeigten.

Den Anfang machte die Detektion von Sieben Objekten mit dem Radar des Washington National Airport (s. Abb.) am 19. Juli 1952 um 11:40 Uhr. Die angezeigten Objekte befanden sich 24 Kilometer südwestlich der Stadt während keine konventionellen Flugzeuge in der Gegend registriert waren. Der Radaroperateur Harry Barnes beschrieb die Situation später so: “Wir wussten gleich, dass wir es hier mit einer sehr merkwürdigen Situation zu tun hatten. Die Bewegung dieser Ziele war im Vergleich zu gewöhnlichen Flugzeugen absolut radikal.“ Diese oder ähnliche bzw. weitere Objekte wurden auch von anderen, auch militärischen Radareinrichtungen detektiert. Als zwei Kampfjets der Air Force die Objekte abfangen oder notfalls sogar abschießen sollten, verschwanden die UFOs auch von den Radarschirmen.

Nach eingehenden Untersuchungen der Ereignisse, hauptsächlich im Rahmen von „Project Blue Book“ erklärte die Air Force abschließend, dass es sich wohl um das Ergebnis von Wetterinversionen gehandelt habe – eine Erklärung, der nicht nur zahlreiche zeitgenössische UFO-Forscher wie Edward J. Ruppelt, sondern auch die Radaroperateure selbst wiedersprachen. So erklärte der Radaroffizier Howard Cocklin 2002 gegenüber der “Washington Post“, dass er immer noch davon überzeugt sei, damals kein wetterbedingten Scheinsignal, sondern das Signal eines echten Objekts auf dem Radarschirm gesehen zu haben. Doch nicht nur das: “Ich habe dieses Ding auf dem Radarschirm und auch aus dem Fenster heraus über den Flughafen gesehen.“ Schon 1952 beschrieb Cocklin gemeinsam mit seinem Kollegen Joe Zacko unidentifizierte Ziele nicht nur auf Radar, sondern auch ein „helles Licht über dem Flughafen“ schweben gesehen zu haben.

Als Wissenschaftler wissen wir, dass es von Zeit zu Zeit schlichtweg Zufälle gibt, egal wie bemerkenswert sie auch erscheinen mögen. Dennoch kam ich nicht umhin, mich zu fragen, ob einer der fünf Kandidaten aus unserem arXiv-Paper aus dem Jahr 2022 bei den Überflügen in Washington beobachtet worden sein könnte.

Tatsächlich wurde unser absoluter Spitzenkandidat (Kandidat 5, mit einer Wahrscheinlichkeit von lediglich 0,0001 %) am 27. Juli 1952 beobachtet, passend zum zweiten Wochenende (Anmerkung des Autors: Im arXiv-Artikel und allen Präsentationen, einschließlich einer, die ich bei einer Veranstaltung der „Sol Foundation“ an der Stanford University im Oktober 2023  gehalten habe habe ich das falsche Datum vom 28. Juli 1952 angegeben. Das korrekte Datum für das XE141-Fotoplatte ist laut STScI-Kennzeichenarchiv der 27. Juli 1952.) Ironischerweise fielen unsere beiden auffälligsten und hellsten Fälle mehrerer Transienten zeitlich also mit den beiden Wochenenden der berühmten UFO-Überflüge über Washington zusammen.

Welche Arten von Ereignissen könnten zur Erkennung mehrerer Transienten auf Fotplatten aus demselben Zeitraum führen? Eine mögliche Erklärung ist, dass es sich bei diesen Transienten tatsächlich um wirkliche UFOs handelt. Eine andere Hypothese besagt, dass Atombombentests in großer Höhe auch über Washington zu Polarlicht-ähnlichen Phänomenen geführt haben könnten. Diese Ereignisse könnten in anderen Regionen des riesigen Landes [Kalifornien] zu nuklearem Niederschlag geführt haben, der möglicherweise als „falsche Sterne“ auf den Fotoplatten abgebildet wurde. Vielleicht deutet Ockhams Rasiermesser in diesem Fall darauf hin, dass die erste Hypothese weniger übertrieben ist.

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Ein Datensatz, der möglicherweise zur Lösung des Rätsels beitragen könnte, ist das Projekt „Digital Access to a Sky Century @ Harvard“ (kurz: DASCH), das digitalisierte Teile der Fotoplattensammlung des Harvard College Observatory umfasst. Die Plattensammlung des Observatoriums besteht aus mehr als 550.000 Platten, die über ein Jahrhundert hinweg eine entscheidende Rolle in der Spitzenforschung der Astronomie spielten. Angesichts der Tatsache, dass das Harvard Observatory wesentlich näher an Washington D.C. liegt als Palomar, könnte es wertvolle Aufzeichnungen aus der Zeit der UFO-Überflüge in Washington D.C. besitzen. Erst vor wenigen Wochen ging das DASCH-Projekt nach mehrjähriger Pause wieder online; ein Segen für viele Astronomen. Trotz zahlreicher Erfolge stand die Sammlung von Fotoplatten in Harvard im Laufe ihrer Geschichte vor vielen Herausforderungen. In den frühen 1950er Jahren beschloss die Harvard University, auf Anweisung ihres damaligen Direktors Donald Menzel [!], der 1952 sein Amt antrat, einen Teil ihrer eigenen Fotoplattensammlung zu vernichten. Diese Geschichte wird in der Autobiografie der Astronomin Dorrit Hoffleit „Misfortunes as Blessings in Disguise“, ausführlich nacherzählt. Darüber hinaus stoppte Donald Menzel 1953 die Durchführung weiterer fotografischer Plattenuntersuchungen des Himmels durch das Harvard-Observatorium. Letzteres Ereignis wird heute sogar allgemein als „Menzel-Lücke“ bezeichnet. Es wurden Einschränkungen im Zusammenhang mit dem Speicherplatz und Budgetbeschränkungen als Rechtfertigung angeführt. Nur fünfzehn Jahre später nahm Harvard, einhergehend mit Menzels Pensionierung, die Überwachung des Himmels wieder auf.

Diese bemerkenswerte Abfolge ungewöhnlicher Ereignisse legt nahe, dass wir mehr Fotoplatten aus dem Sommer 1952 untersuchen [müssen], um festzustellen, ob es damals eine höhere Häufigkeit anomaler Transienten gab als in den Sommern zuvor. Wir können auch den Himmel untersuchen, wie er heute aussieht. Mit unserem neuen Projekt, dem „ExoProbe“, werden wir nach ähnlichen Arten vorübergehender Ereignisse am modernen Himmel suchen. Die Hoffnung besteht darin, einen Fall solch anomaler Transienten zu finden, der mit den heutigen Instrumenten sorgfältig untersucht werden kann. Hierzu werden wir ein Netzwerk kleiner Teleskope verwenden, die mit hochauflösenden Kameras ausgestattet sind, die es uns ermöglichen, den Befund in mehreren Teleskopen sofort zu validieren, das Objekt in 3D zu lokalisieren (sofern es sich im Sonnensystem befindet) und es anhand eines Spektrums zu charakterisieren. Die Entdeckung solcher anomaler Transienten in modernen Daten wird dabei helfen, die Herausforderungen zu umgehen, die fotografische Plattenuntersuchungen mit sich bringen, einschließlich der inhärenten Schwierigkeit, diese Objekte zu verfolgen und zu lokalisieren, sobald sie verschwunden sind. Es besteht zweifellos eine zwingende Notwendigkeit, dieses Geheimnis zu erforschen.

Mit etwas Glück können wir vielleicht statistische Belege für einen Zusammenhang zwischen historischen UFO-Sichtungen und mehreren Transienten auf Fotoplatten finden. Wenn nicht, müssen diese seltsamen Zufälle möglicherweise faszinierende Anekdoten in unserer Dokumentation der Sternengeschichte bleiben …und vielleicht ist das auch in Ordnung.

Beatriz Villarroel ist die Leiterin des VASCO-Projekts, das mehr als 40 Mitglieder in verschiedenen Ländern umfasst. Sie ist Forscherin am Nordischen Institut für Theoretische Physik (Nordita) in Stockholm.

Quellen

  1. Beatriz Villarroel, Geoffrey Marcy, Stefan Geier, Alina Streblyanska, Enrique Solano, Vitaly
  2. Andruk, Matthew E. Shultz, Alok C. Gupta, Lars Mattsson,“Exploring nine simultaneously occuring transients on April 12th 1950”, 2021, Scientific Reports, 11, 12794.
  3. Beatriz Villarroel, Enrique Solano, Hichem Guergouri, Alina Streblyanska, Lars Mattsson, Rudolf Bär, JamalMimouni, Stefan Geier, Alok C. Gupta, Vanessa Okororie, Khaoula Laggoune, Matthew E. Shultz, Robert A. Freitas Jr., Martin Ward,“Is there a background population of high- albedo objects in geosynchronous orbits around Earth?”, 2022, arXiv: 2204.06091
  4. Enrique Solano, Geoffrey Marcy, Beatriz Villarroel, Stefan Geier, Alina Streblyanska, Gianluca Lombardi,Rudolf E. Bär, Vitaly N. Andruk, “A Bright Triple Transient that Vanished within 50 Minutes”, 2023, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 527, 6312
  5. Beatriz Villarroel, Kristiaan Pelckmans, Enrique Solano, Mikael Laaksoharju, Abel Souza, Onyeuwaoma Nnaemeka Dom, Khaoula Laggoune, Jamal Mimouni, Hichem Guergouri, Lars Mattsson, Johan Soodla, DiegoCastillo, Matthew Shultz, Rubby Aworka, Sébastien Comerón, Stefan Geier, Geoffrey Marcy, Alok C. Gupta, Josefine Bergstedt, Rudolf E. Bär, Bart Buelens, Christopher K. Mellon, M. Almudena Prieto, Dismas Simiyu Wamalwa, Martin J. Ward, “Launching the VASCO citizen science project”, 2022, MDPI’s Universe, 8, 561
  6. Enrique Solano, Beatriz Villarroel, Carlos Rodrigo, “Discovering vanishing objects in POSS I red images using the Virtual Observatory”, 2022, Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 515, 1380
  7. Gilgoff D., 2001, Washington City Paper, https://washingtoncitypaper.com/article/260860/saucers-full-of-secrets/
  8. Klass, Phillip , Skeptics UFO Newsletter, 1998, 52
  9. Hoffleit , ”Misfortunes as blessings in disguise”, https://www.aavso.org/dorrit-hoffleit- autobiography-misfortunes-blessings-disguise




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© Beatriz Villarroel, TheDebrief.org, grenzwissenschaft-aktuell.de (dt. Übers.)