Hoffnung auf Wassereis: Junge Gletscher-Relikte am Mars-Äquator entdeckt

Geschrieben am 17.03.2023
von Andreas Müller

Lesezeit: ca. 4 Minuten Mountain View (USA) – US-Forschende haben die Entdeckung von Relikten eines vergleichsweise jungen Gletschers auf dem Mars bekannt gegeben. Die Entdeckung legt zugleich auch das Vorhandensein von flüssigem Wasser an der Marsoberfläche in der geologisch jüngeren Vergangenheit des Roten Planeten nahe und weckt Hoffnungen auf Wassereis in niedrigeren Breitengraden für künftige Mars-Missionen. Wie das Team […]Lesezeit: ca. 4 Minuten
Ein Gletscher-Relikt in der Nähe des Mars-Äquators.Copyright: NASA/MRO/HiRISE/CRISM, Lee et al. 2023

Ein Gletscher-Relikt in der Nähe des Mars-Äquators.
Copyright: NASA/MRO/HiRISE/CRISM, Lee et al. 2023

Mountain View (USA) – US-Forschende haben die Entdeckung von Relikten eines vergleichsweise jungen Gletschers auf dem Mars bekannt gegeben. Die Entdeckung legt zugleich auch das Vorhandensein von flüssigem Wasser an der Marsoberfläche in der geologisch jüngeren Vergangenheit des Roten Planeten nahe und weckt Hoffnungen auf Wassereis in niedrigeren Breitengraden für künftige Mars-Missionen.

Wie das Team um Dr. Pascal Lee vom Seti Institute aktuell auch der 54th Lunar and Planetary Science Conference bekannt gab, handelt es sich um Überreste eines einstigen Gletschers in der Nähe des Mars-Äquators in der Mars-Region Noctis Labyrinthus bei den Koordinaten 7° 33′ S, 93° 14′ W.

Diese Entdeckung sei deshalb so besonders, „weil sie die Anwesenheit von Oberflächenwasser auf dem Mars noch in geologisch jüngster Zeit nahelegt, und das selbst noch in der Nähe des Äquators“, so die Forschenden. „Die Entdeckung könnte zudem bedeuten, dass es in dieser Gegend auch heute noch Wassereis in seichten Tiefen gibt, was wiederum für die zukünftige bemannte Erkundung des Mars und deren Versorgung von großer Bedeutung wäre.“

Die Strukturen selbst, die die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen als „relict gacier“ (Gletscher-Relikt) bezeichnen, besteht aus hellen Ablagerungen (sog. light-toned deposits, LTDs). Für gewöhnlich bestehen diese hauptsächlich auch hellfarbigen Sulfatsalzen. In diesem Fall aber, finden sich noch weitere für einen Gletscher charakteristische Merkmale wie Spalten und Hinterlassenschaften von Moränen aber auch kleinste feingliedrigste gletschertypische Strukturen. Das Gletscherrelikt ist etwa 6 Kilometer lang und 4 Kilometer breit mit einer einstigen Höhe von 1.3 bis 1,7 Kilometern.

Die Entdeckung lege zudem nahe, dass der Mars noch in seiner jüngsten geologischen Vergangenheit wässriger war als bislang angenommen – eine Erkenntnis, die auch Auswirkungen auf unser Verständnis der Lebensfreundlichkeit des Planeten haben könnte.

Zugleich stellen die Forschenden klar: „Wir haben aber kein Eis gefunden, sondern Salzablagerungen mit detaillierten morphologischen Merkmalen eines Gletschers. Wir glauben, dass sich diese Salze einst an der Oberfläche des Gletschers gebildet haben und so die Form des darunterliegenden Eises im Detail bewahrt haben“, so Lee.

Interpretation der Strukturen als Gletscher-Relikte.Copyright: Copyright: NASA/MRO/HiRISE/CRISM, Lee et al. 2023

Interpretation der Strukturen als Gletscher-Relikte.
Copyright: Copyright: NASA/MRO/HiRISE/CRISM, Lee et al. 2023

Die Salze selbst könnten sich durch pyroklastische Materialien wie Vulkanasche, Bimsstein oder heiße Lava gebildet haben als diese in Kontakt mit dem Wassereis kamen: „Diese Region des Mars blick auf vulkanische Geschichte zurück, und wo vulkanisches Material in Kontakt mit Gletschereis kommt, da kommt es auch zu chemischen Reaktionen an der Grenze zwischen den Schichten“, erklärt Sourabh Shubham von University of Maryland’s Department of Geology. „Dies ist die wahrscheinlichste Erklärung für die löslichen und wässrig angereicherten Sulfate, die wir in diesen hellen Ablagerungen sehen.“

Da die einstige Gletscherfläche kaum Merkmale von Einschlägen aufweist, muss die Struktur also aus einer geologisch jüngeren Vergangenheit stammen und in die sogenannte amazonische Epoche des Planeten (von vor 1,8 Milliarden Jahren bis heute)

fallen. “Wir kennen Gletscheraktivitäten von vielen Orten auf dem Mars, darunter auch in der Nähe des Äquators. Bislang finden sich diese Strukturen aber entweder in deutlich höheren Breitengraden oder sind sehr viel älter. Ein derart junges Gletscher-Relikt an diesem Ort sagt uns nun jedoch, dass es hier, in der Nähe des Äquators, auch noch in jüngerer Zeit Wassereis an der Marsoberfläche gab. Das ist eine neue Erkenntnis.“

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Ob sich unter den hellen Ablagerungen auch heute noch Eis erhalten hat, oder ob dieses mittlerweile vollständig verschwunden ist, geht aus den aktuellen Daten noch nicht hervor.
„Wassereis ist derzeit an der Marsoberfläche und in der Nähe des Äquators und auf diesen Höhen eigentlich nicht stabil. Es ist also nicht verwunderlich, dass wir hier kein Wassereis an der Oberfläche detektieren. Dennoch könnte sich auch heute noch unter den Salzen in geringer Tiefe Eis erhalten haben.“

Analogien zum jungen Gletscher-Relikt auf dem Mars sehen die Forschenden in urzeitlichen Eisinseln in den Seebetten trockenfallender Salzseen, sogenannten Salars, wie sie beispielsweise in Südamerika zu finden. Auch hier hat sich altes Gletschereis unter Schichten heller Salzablagerungen erhalten und ist durch das Salz vor Schmelzen, Verdunstung und Sublimation geschützt. Eine ähnliche Situation vermuten Lee, Kollegen und Kolleginnen nun auch als Erklärung der neuentdeckten Strukturen auf dem Mars, da auch hier die Bedingungen eigentlich kein Eis mehr ermöglichen würden.

„Sollte sich im seichten Untergrund aber dennoch Wassereis erhalten haben, so hätte dies bedeutende Auswirkungen für die Wissenschaft und die bemannte Erforschung des Mars“, erklärt Lee abschließend. „Der Wunsch, dass bald auch Menschen den Mars erkunden geht mit der Notwendigkeit des Zugangs zu Wasser einher, das als Eis aus dem Untergrund gewonnen werden kann. Bislang haben Missionsplaner deshalb eher die höheren Breitengrade ins Visier genommen. Diese Gegenden sind allerdings auch deutlich kälter und stellen deshalb sowohl an Menschen wie auch an das Material höher Ansprüche. Wenn wir nun aber in Äquatornähe Eis im nahen Untergrund fänden, so böten sich hier die idealen Bedingungen für eine bemannte Erforschung des Mars. (…) Deshalb müssen wir jetzt herausfinden, ob und wieviel Wassereis sich unter dem Gletscher-relikt erhalten hat“




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Recherchequelle: SETI Institute

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