Ausdruck der Gefühle: Studie findet paradoxen Zusammenhang bei der Wahrnehmung von Emotionen

Geschrieben am 15.06.2021
von Andreas Müller

Lesezeit: ca. 2 Minuten Frankfurt a. M. (Deutschland) – Wir Menschen sind gewohnt, den Gefühlszustand eines anderen auch anhand des Klangs seiner oder ihrer Stimme abzulesen. Wie viel dieser aber Klang einer Stimme aber tatsächlich über den Gefühlszustand eines Menschen verrät, scheint nur auf den ersten Blick eindeutig. Gilt hier tatsächlich: Je stärker die Emotionen, desto leichter sind sie […]Lesezeit: ca. 2 Minuten
Symbolbild: Der Schrei, Federzeichnung von Edvard Munch (Kunstmuseum Bergen). Copyright: Gemeinfrei

Symbolbild: Der Schrei, Federzeichnung von Edvard Munch (Kunstmuseum Bergen).
Copyright: Gemeinfrei

Frankfurt a. M. (Deutschland) – Wir Menschen sind gewohnt, den Gefühlszustand eines anderen auch anhand des Klangs seiner oder ihrer Stimme abzulesen. Wie viel dieser aber Klang einer Stimme aber tatsächlich über den Gefühlszustand eines Menschen verrät, scheint nur auf den ersten Blick eindeutig. Gilt hier tatsächlich: Je stärker die Emotionen, desto leichter sind sie zu interpretieren? Ein internationales Forschungsteam hat einen paradoxen Zusammenhang zwischen der Intensität von Gefühlsausdrücken und ihrer Wahrnehmung aufgedeckt.

Wie das Team um Natalie Holz vom Max-Planck-Institut für empirische Ästhetik gemeinsam mit Kollegen der New York University und des Max Planck NYU Center for Language, Music, and Emotion aktuell im Nature-Fachjournal „Scientific Reports“ (DOI: 10.1038/s41598-021-88431-0) berichtet, variieren Emotionen in ihrer Intensität: „Ein Mensch, der von einer Hauskatze attackiert wird, hat womöglich Angst. Noch angsteinflößender wäre jedoch sicher die Attacke einer Raubkatze. Die Stärke des empfundenen Gefühls unterscheidet sich also. Doch gut sind wir darin, Gefühlsäußerungen anderer zu deuten? Bisher vermutete man einen intuitiv erscheinenden Zusammenhang: Je intensiver das ausgedrückte Gefühl, desto besser verstehen wir seine Bedeutung. Empirische Belege dafür gab es jedoch kaum.“

Die Forschenden um Holz haben nun die Rolle der emotionalen Intensität erstmals systematisch untersucht. Hierzu haben sie eine Vielzahl nonverbaler Laute, wie Schreien, Lachen, Seufzen, Ächzen oder Stöhnen gesammelt. „Alle drückten verschiedene positive und negative Emotionen aus, die in ihrer Stärke von minimal bis maximal intensiv variierten.“ Anschließend untersuchten sie, wie sich die Wahrnehmung dieser Laute je nach emotionaler Intensität bei denjenigen veränderte, die zuhörten.

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Das Ergebnis der Analyse war überraschen: „Zunächst verbesserte sich zwar, wie erwartet, die Wahrnehmung von Emotionen mit steigender Emotionsintensität. Doch je stärker die Intensität wurde, desto weniger stieg die Wahrnehmung an. Bei extrem starken Emotionen sank sie sogar drastisch“, erläutert Holz und führt dazu weiter aus: „Entgegen weitläufiger Annahmen haben wir herausgefunden, dass die intensivsten Gefühle eben nicht am besten interpretiert werden können. Im Gegenteil, sie sind sogar am missverständlichsten von allen.“

Wie sich zeigt, können im Falle extrem intensiver Gefühle einzelne Emotionen wie beispielsweise Überraschung und Triumph nicht mehr sicher unterschieden werden. Auch lasse sich nicht mit Gewissheit einordnen, ob das Gefühl eher positiv oder negativ ist.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstreichen aber dennoch, dass die Signale trotzdem nicht bedeutungslos sind: „Sowohl die Intensität selbst als auch der Erregungszustand werden gleichbleibend deutlich wahrgenommen. In Extremsituationen mag es wichtiger sein, die Relevanz zu erkennen und alarmiert zu sein, als die nuancierte emotionale Bedeutung auszumachen.“




Wie das Team berichtet, machen die Ergebnisse deutlich, dass die emotionale Intensität ein entscheidender Faktor in der Wahrnehmung von Emotionen ist – allerdings komplexer als bisher vermutet. Dies stelle nicht zuletzt auch eine Herausforderung für bestehende emotionstheoretische Konzepte dar. Extrem intensive Emotionen sollten insbesondere in den Fokus rücken, da sie wesentlich zum Verständnis emotionalen und affektiven Erlebens beitragen können.

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Recherchequelle: MPG

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