Teleskope liefern ersten Beweis für eine mondbildende Scheibe um einen fernen Exoplaneten

Geschrieben am 22.07.2021
von Andreas Müller

Lesezeit: ca. 3 Minuten Grenoble (Frankreich) – Mit der Teleskopanlage der „Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array“ (ALMA) haben Astronominnen und Astronomen erstmals den direkten Beweis für eine Staub- und Trümmerscheibe um einen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems erbracht, aus der heraus sich Monde bilden können. Die Beobachtungen werden neue Erkenntnisse darüber liefern, wie sich Monde und Planeten in jungen Planetensystemen bilden. […]Lesezeit: ca. 3 Minuten

ALMA-Weitwinkel- (l.) und -Nahaufnahmen (r.) der mondbildenden Scheibe um den Exoplaneten „PDS 70c“.
Copyright: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/Benisty et al.

Grenoble (Frankreich) – Mit der Teleskopanlage der „Atacama Large Millimeter/Submillimeter Array“ (ALMA) haben Astronominnen und Astronomen erstmals den direkten Beweis für eine Staub- und Trümmerscheibe um einen Planeten außerhalb unseres Sonnensystems erbracht, aus der heraus sich Monde bilden können. Die Beobachtungen werden neue Erkenntnisse darüber liefern, wie sich Monde und Planeten in jungen Planetensystemen bilden.

„Unsere Arbeit stellt einen klaren Nachweis einer Scheibe dar, in der sich natürliche Trabanten bilden könnten“, sagt Myriam Benisty von den Universitäten von Grenoble und Chile. Die Astronomin leitete die neue Studie, die heute im Fachjournal „The Astrophysical Journal Letters“ (DOI: 10.3847/2041-8213/ac0f83) veröffentlicht wurde. „Unsere ALMA-Beobachtungen wurden mit einer so exzellenten Auflösung gewonnen, dass wir klar erkennen konnten, dass die Scheibe mit dem Planeten in Verbindung steht. Zudem sind wir in der Lage, erstmals ihre Größe einzugrenzen.“

Die „zirkumplanetare Scheibe“ umgibt den Exoplaneten „PDS 70c“, einen von zwei riesigen, Jupiter-ähnlichen Planeten, der den fast 400 Lichtjahre entfernten Stern „PDS 70“ umkreist.

Schon zuvor hatten Astronomen Hinweise auf eine „mondbildende“ Scheibe um diesen Exoplaneten gefunden. Da sie die Scheibe aber nicht eindeutig von ihrer Umgebung unterscheiden konnten, konnten sie ihren Nachweis bislang nicht eindeutig bestätigen.

Zudem fand das Team um Benisty heraus, dass die Scheibe etwa den gleichen Durchmesser hat wie die Entfernung von unserer Sonne zur Erde und genug Masse, um bis zu drei natürliche Satelliten von der Größe des Mondes zu bilden.

Detailansicht der zirkumplanetaren Scheibe um „PDS 70c“.
Copyright: ALMA (ESO/NAOJ/NRAO)/Benisty et al.

Die Ergebnisse sind aber nicht nur entscheidend, um die Entstehung von Monden zu ergründen. Sie sind auch extrem wichtig, um Theorien über die Planetenentstehung zu überprüfen, die bisher nicht getestet werden konnten“, sagt Jaehan Bae, ein Forscher vom Earth and Planets Laboratory der Carnegie Institution for Science, USA, und Mitautor der Studie.

Hintergrund
Planeten bilden sich in staubhaltigen Scheiben um junge Sterne und graben Lücken hinein, während sie Material aus dieser zirkumstellaren Scheibe für ihr Wachstum aufzehren. In diesem Prozess kann ein Planet seine eigene zirkumplanetare Scheibe entwickeln. Diese Scheibe trägt zum Wachstum des Planeten bei, während sie die Menge an Material reguliert, die auf den Planeten fällt. Gleichzeitig können sich das Gas und der Staub in der zirkumplanetaren Scheibe durch mehrfache Kollisionen zu immer größeren Gebilden verdichten, was schließlich zur Geburt von Monden führt. (Quelle: ESO)

Allerdings sind die Details dieser Vorgänge noch nicht vollständig verstanden: „Kurz gesagt, es ist immer noch unklar, wann, wo und wie sich Planeten und Monde bilden“, erklärt ESO Research Fellow Stefano Facchini, der ebenfalls an der Forschung beteiligt war. „Mehr als 4000 Exoplaneten wurden bisher gefunden, aber alle von ihnen wurden in entwickelten Systemen entdeckt. „PDS 70b“ und „PDS 70c“, die ein System bilden, das an das Jupiter-Saturn-Paar erinnert, sind die einzigen beiden bisher entdeckten Exoplaneten, die sich noch im Entstehungsprozess befinden“, erklärt Miriam Keppler, Forscherin am Max-Planck-Institut für Astronomie in Deutschland und eine der Co-Autorinnen der Studie. „Dieses System bietet uns daher eine einzigartige Möglichkeit, die Prozesse der Entstehung von Planeten und natürlichen Satelliten zu beobachten und zu studieren“, ergänzt Facchini.

PDS 70b und PDS 70c, die beiden Planeten, aus denen das System besteht, wurden erstmals 2018 bzw. 2019 mit dem „Very Large Telescope“ (VLT) der ESO entdeckt und sind aufgrund ihrer Einzigartigkeit seither vielfach mit anderen Teleskopen und Instrumenten beobachtet worden.

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Die jüngsten hochauflösenden ALMA-Beobachtungen haben es den Astronomen nun ermöglicht, weitere Erkenntnisse über das System zu gewinnen: „Sie bestätigten nicht nur den Nachweis der zirkumplanetaren Scheibe um PDS 70c und untersuchten deren Größe und Masse. Sie fanden auch heraus, dass PDS 70b keine eindeutigen Hinweise auf eine solche Scheibe zeigt, was darauf hindeutet, dass ihm PDS 70c das Staubmaterial aus seiner Geburtsumgebung entzogen hat.“

Ein noch tieferes Verständnis des Planetensystems erhoffen sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit dem „Extremely Large Telescope“ (ELT) der ESO, das derzeit auf dem Cerro Armazones in der chilenischen Atacama-Wüste gebaut wird. „Das ELT wird der Schlüssel für diese Forschung sein, da es uns mit seiner viel höheren Auflösung ermöglichen wird, das System sehr detailliert zu kartieren“, sagt Co-Autor Richard Teague, Forscher am Center for Astrophysics Harvard & Smithsonian. Insbesondere wird das Team mit dem Mittelinfrarot-ELT-Imager und -Spektrografen (METIS) des ELT die Gasbewegungen um PDS 70c untersuchen können, um ein vollständiges 3D-Bild des Systems zu erhalten.




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Recherchequelle: ESO

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