Studie warnt: Klimawandel könnte das Ende der Menscheit herbeiführen

Geschrieben am 02.08.2022
von Andreas Müller

Lesezeit: ca. 4 Minuten Cambridge (Großbritannien) – Die globale Erwärmung in Folge des Klimawandels könnte sich zu einer weitaus größeren Katastrophe für die Menschheit entwickeln, als dies bislang absehbar war und sogar das Schicksal unserer Spezies besiegeln. Zu dieser, wie die Autoren zwar selbst schreiben „wenig wahrscheinlichen, aber durchaus ernst zu nehmenden Schlussfolgerung“ kommt eine aktuelle internationale Studie unter […]Lesezeit: ca. 4 Minuten
Symbolbild. Copyright: Foto-Rabe (via Pixabay.com) / Pixabay License

Symbolbild.
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Cambridge (Großbritannien) – Die globale Erwärmung in Folge des Klimawandels könnte sich zu einer weitaus größeren Katastrophe für die Menschheit entwickeln, als dies bislang absehbar war und sogar das Schicksal unserer Spezies besiegeln. Zu dieser, wie die Autoren zwar selbst schreiben „wenig wahrscheinlichen, aber durchaus ernst zu nehmenden Schlussfolgerung“ kommt eine aktuelle internationale Studie unter Führung der University of Cambridge, die dazu mahnt, dass wir uns auf ein mögliches „klimatisches Endspiel“ vorbereiten sollten.

Die Forschenden argumentieren hierzu, dass bisher viel zu wenig getan wurde, um jene Mechanismen besser zu verstehen, durch die steigende Temperaturen zu einem „katastrophalen“ Risiko für die Gesellschaft und die Menschheit darstellen könnten – etwa wenn der Temperaturanstieg drastischer ausfällt als von vielen bislang vorhergesagt oder wenn bisher unberücksichtigte Kaskaden von Ereignissen auslöst werden – oder sogar beides. Eine Bewertung der Katastrophenrisiken für ein solches „Klima-Endspiel“ sei notwendig, um eine reale Chance zu haben, sie zu verhindern.

Wie das Team um Dr. Luke Kemp von der University of Cambridge aktuell im Fachjournal „Proceedings of the National Academy of Sciences” (PNAS; DOI: 10.1073/pnas.2108146119) berichtet, zeichnen die Modellberechnungen unter anderem auch Worst-Case-Szenarien, die von dem Verlust von 10 Prozent der globalen Menschheitspopulation bis hin zum vollständigen Aussterben unserer Art reichen.

Als Folge ihrer Studienergebnisse rufen die Autoren und Autorinnen den Weltklimarat (IPCC) zu einem aktualisierten Zukunftsbericht auch über die wenn auch wenig wahrscheinlichen aber dennoch möglichen katastrophalen Folgen der Klimaerwärmung auf, um die Öffentlichkeit zu informieren.

„Es gibt eine Vielzahl von Gründen, weshalb wir glauben, dass der Klimawandel zu einer Katastrophe wird – selbst dann, wenn wir nur von moderaten Erwärmungsraten ausgehen“, so Kemp. „Das Klima hat schon immer eine Schlüsselrolle auch bei früheren Massenaussterne-Ereignissen gespielt. Aufgrund sich veränderter Klimata sind schon Weltreiche zerfallen und Geschichte wurde beeinflusst. Selbst unsere moderne Welt passt sich weiterhin an Klimanischen an.“

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Dabei seien es nicht nur direkte Auswirkungen steigender Temperaturen wie Extremwetter-Ereignisse, die die Katastrophe abbilden. „Auch andere KO-Effekte wie Finanzkrisen, Konflikte und Krankheiten können Katastrophen auslösen und eine Erholung von anderen potenziellen Katastrophen wie einem nuklearen Krieg verhindern.“

In ihrer Arbeit erläutern Kemp, Kollegen und Kolleginnen, dass die Konsequenzen einer Erwärmung um 3 Grad Celsius und mehr mit extremen Risiken einhergehen, deren Auswirkungen bislang massiv unterschätzt würden.

So könnte extreme Hitze von einem Jahresmittel von über 29 Grad Celsius schon bis 2070 weltweit mehr als zwei Milliarden Menschen betreffen. Es seien zudem gerade diese potenziell betroffenen Gebiete, die zugleich auch zu den am dichtesten besiedelten und politisch instabilsten Regionen unseres Planeten zählen. „Derzeit sind von solchen Temperaturen etwa 30 Millionen Menschen in der Sahara und der Golfküste betroffen”, erläutert Mitautor Chi Xu von der Nanjing University. „Bis 2070 könnten solche Temperaturen und ihre sozialen wie politischen Konsequenzen dann auch direkt zwei Atommächte und sieben Laboreinrichtungen betreffen, innerhalb derer die gefährlichsten Pathogene weltweit aufbewahrt und untersucht werden. Es gibt also ein wirklich gefährliches Risikopotenzial.“

Bereits im vergangenen Jahr schlussfolgerte der IPCC-Klimabericht, das seine Verdoppelung des CO2-Anteils in der Atmosphäre im Vergleich zu den vorindustriellen Werten zu einer 20-prozentigen Wahrscheinlichkeit für einen Temperaturanstieg von mehr als 4,5 Grad Celsius führt. Derzeit liegen wir bei 50 Prozent dieser Verdopplung des atmosphärischen CO2-Gehalts.

Die Forscher und Forscherinnen unterstreichen in ihrem Paper zukünftig auch die (wie sie es nennen) “vier Reiter des Klima-Endpsiels” in die Überlegungen und Vorschläge des IPCC miteinzubeziehen. Gemeint sind: Hunger und Unterernährung, extremes Wetter, Konflikte und Infektionskrankheiten.

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Demnach stellen steigende Temperaturen eine der größten Bedrohungen für die globale Nahrungsversorgung da, nicht zuletzt, wenn globale Kornkammern ausfallen. (Zu welchen Problemen der teilweise Ausfall solcher Kornkammern führen kann, sehen wir derzeit am Beispiel der Getreidelieferungen aus der Ukraine.) Heißeres und extremes Wetter könnte Bedingungen begünstigen, durch die in Folge sich verändernder und schwindender Lebensräume von Tier und Mensch neue Krankheiten ausbrechen und sich ausbreiten könnten.

Einhergehend mit dem Klimazusammenbruch könnten sich zudem weitere „wechselwirkende Bedrohungen“ verstärkt werden, darunter soziale Ungerechtigkeit, Falschinformationen und Zusammenbrüche demokratischer Strukturen. Auch in der Entwicklung von durch künstliche Intelligenz gesteuerten Waffen, sehen die Forschenden ein solches Risiko.

Schon jetzt sollte mehr Augenmerk auf die Identifikation potenzieller Kipppunkte des „Treibhauses Erde“ gelegt werden. Das von den tauenden Permafrostböden befreite Methangas sowie das Absterben des Amazonas und das beschleunigte Abschmelzen des Grönlandeises sind Beispiele für Systeme, die schnell von eigentlich kühlenden Kohlenstoffsenken zu Quellen weiterer Erwärmung werden können.

„Je mehr wir über die Funktionen unseres Planeten lernen, desto größer werden die Gründe zur Sorge”, so der Mitautor der Studie, Professor Johan Rockström, Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). „Wir verstehen zusehends, dass unser Planet ein viel komplexerer und zerbrechlicher Organismus ist. Wir müssen die möglichen Katastrophen besser durchdenken, um sie vermeiden und bestenfalls verhindern zu können.“ Dem stimmt auch Prof. Kristie Ebi von der University of Washington zu: „Wir brauchen interdisziplinäre Anstrengungen, um noch besser zu verstehen, wie der Klimawandel auch zu einem Massenaussterben von uns Menschen führen könnte

„Wir wissen, das der Temperaturanstieg einen langen Schwanz hinter sich herzieht, dessen Konsequenzen möglicherweise extrem sein könnten. Wir sehen eine sich zunehmend beschleunigenden Klimawandel entgegen, zeigen uns aber gegenüber den Worst-Case-Szenarien allerdings blind und unser Risikomanagement bleibt bestenfalls naiv – im schlimmsten Fall aber auf buchstäblich fatale Weise töricht“, so Kemp abschließend.




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Recherchequelle: University of Cambridge

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