Auf der Suche nach interstellaren Monumenten

Geschrieben am 16.09.2021
von Andreas Müller

Lesezeit: ca. 4 Minuten Eine uralte Zivilisation von einem fernen Stern hätte unsterbliche Maschinen erschaffen können, um die Milchstraße zu durchstreifen, um ihr Erbe zu bewahren und sich mitzuteilen. – Ein Gastbeitrag von Avi Loeb* Mittlerweile habe ich ein Alter erreicht, in dem meine Geburtstage als Countdown bis zum unausweichlichen Ende betrachtet werden können. Wir leben unser Leben, ohne […]Lesezeit: ca. 4 Minuten
Symbolbild. Copyright: tunnelmotions (via Pixabay.com) / Pixabay License

Symbolbild.
Copyright: tunnelmotions (via Pixabay.com) / Pixabay License

Eine uralte Zivilisation von einem fernen Stern hätte unsterbliche Maschinen erschaffen können, um die Milchstraße zu durchstreifen, um ihr Erbe zu bewahren und sich mitzuteilen.

– Ein Gastbeitrag von Avi Loeb*

Mittlerweile habe ich ein Alter erreicht, in dem meine Geburtstage als Countdown bis zum unausweichlichen Ende betrachtet werden können. Wir leben unser Leben, ohne zu wissen, wann es enden wird. Aber die Anerkennung der Unvermeidbarkeit dieses Endes ermutigt uns, Denkmäler unserer Errungenschaften zu erschaffen – Denkmäler, die uns überdauern werden. Natürlich kann uns unsere DNA durch unsere Kinder diese Art von Langlebigkeit verleihen. Aber wir möchten der Welt, die wir hinterlassen, oft eine Bedeutung verleihen, die über unseren genetischen Code hinausgeht.

In Genesis 3:19 heißt es denn auch: „Im Schweiße deines Angesichts wirst du dein Brot essen, bis du selbst wieder zu Erde wirst, denn von ihr bist du genommen; denn du bist Staub und zu Staub wirst du zurückkehren.“

Die einzige Person, die diesem Schicksal entkommen ist, ist Clyde Tombaugh, der Entdecker von Pluto, dessen Asche an Bord der Raumsonde „New Horizons“ zum Teil das Sonnensystem verlassen wird. Aber diese Asche ist nichts anderes als verbrannte DNA ohne nützlichen Informationsgehalt. Es wäre für die NASA viel wissenschaftlicher gewesen, eine elektronische Aufzeichnung seines Genoms oder noch besser eingefrorener Stammzellen zu senden.

Für den Rest von uns bleiben unsere physischen Überreste auf der Erde zurück, dort wo uns die grundlegende Frage bleibt, was wir zurücklassen sollen, damit die Menschheit sich erinnert. Höhlenbewohner hinterließen Spuren an den Wänden ihrer Höhlen. Kaiser, Könige, wohlhabende Einzelpersonen und Universitätsstifter haben Statuen oder Porträts hinterlassen, die ihr Aussehen bewahren. Architekten haben Gebäude geschaffen. Aber die besten Denkmäler sind nicht physisch; vielmehr sind sie spiritueller Natur: Musiker haben ihre Kompositionen hinterlassen, Wissenschaftler ihre Gleichungen, Maler ihre Bilder und Schriftsteller ihre Geschichten. Diese Kinder des Geistes leben im Raum abstrakter Ideen fort, nicht im realen Raum. Eine Idee kann ewig dauern, solange es ein Gehirn gibt, das davon weiß.

Nichtsdestotrotz werden alle irdischen Schöpfungen verschwinden, wenn sich die Sonne in einer Milliarde Jahren erwärmt und in allen Ozeanen der Erde kocht. Gibt es Hoffnung, Denkmäler zu schaffen, die diesen terrestrischen Endpunkt überdauern? Der beste Ansatz könnte darin bestehen, der Asche von Tombaugh in den außerirdischen Raum zu folgen.

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Unsere langlebigsten Monumente könnten demnach technologische Relikte sein, die eine aktive Intelligenz aufweisen, die größer ist als die natürliche Intelligenz des Menschen; sie könnten nämlich durch Geräte mit künstlicher Intelligenz (KI) repräsentiert werden. Stellen Sie sich einen kompakten (Schuhschachtel-großen) CubeSat vor, der mit KI und 3D-Druck ausgestattet ist und die Fackel unserer Ziele in die Weiten der Milchstraße trägt. Solche Systeme in den interstellaren Raum zu schicken, nachdem sie durch maschinelles Lernen trainiert wurden, würde der Erfahrung ähneln, unsere Kinder nach der Erziehung zu Hause und in der Schule in die Welt zu schicken. Jeder von uns könnte ein einzigartiges KI-System trainieren, das unseren eigenen Sinn und Zweck im Leben widerspiegelt. Anstatt die Wand einer Höhle zu bemalen, die in einer Milliarde Jahren einstürzen wird, können wir den Inhalt unseres persönlichen KI-Systems gestalten, das Milliarden von Jahren im Weltraum überleben wird, als wäre es unser eigener technologischer Avatar. Diese Avatare könnten die Sonne überdauern und ihre Reise auf unbestimmte Zeit fortsetzen, während sie beschädigte Teile replizieren oder mit 3D-Druckern zusätzliche Kopien von sich selbst erstellen.

Wenn wir uns dies als Blaupause für die Zukunft der Menschheit vorstellen können, so könnte dies vielleicht auch auf eine ferne Zivilisation zutreffen, die eine Milliarde Jahre älter als unsere war als sie diesen Gedanken hatte und umsetzte? Um das herauszufinden, sollten wir nach interstellaren Monumenten derer suchen, die vor uns im Kosmos waren.

Bisher waren alle Teleskope, mit denen wir den Himmel vermessen haben, nicht empfindlich genug, um das reflektierte Sonnenlicht von einer CubeSat-Größe zu erkennen. Die bevorstehende „Legacy Survey of Space and Time“ (LSST) mit dem Vera C. Rubin Observatory könnte solche Monumente finden. Wenn solche Objekte in die Erdatmosphäre eintreten, könnten sie außerdem als unidentifizierte Phänomene im Luftraum (unidentified aerial phenomena, UAP bzw. UFOs) der Art klassifiziert werden, die in dem Bericht an den US-Kongress vom 25. Juni 2021 erwähnt wird (…GreWi berichtete). Das jüngst initiierte „Galileo-Projekt“ (…GreWi berichtete) könnte möglicherweise solche außerirdische Denkmäler entdecken, wenn sie in der Nähe der Erde vorbeiziehen.

Solche autonomen Avatare könnten schon vor langer Zeit von anderen Wesen geschickt worden sein, so dass diese Wesen selbst inzwischen zwar nicht mehr existieren. Die Entdeckung fortschrittlicher technologischer Artefakte wird jedoch vermutlich die gleiche Ehrfurcht hervorrufen wie die Entdeckung prähistorischer Höhlenmalereien aus der Zeit vor 45.000 Jahren. Und noch spannender wäre es, eine begleitende genetische Aufzeichnung der Absender an Bord zu finden, die mehr Informationsgehalt als nur Tombaughs Asche enthält.

* Dieser Artikel erschien erstmals im englischsprachigen Original auf „ScientificAmerican.com“. Die hiesige deutschsprachige Übersetzung wurde unter ausdrücklicher Erlaubnis von Avi Loeb durch Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) erstellt.

Über den Autor

Prof. Avi Loeb Copyright/Quelle: Galileo Project

Prof. Avi Loeb
Copyright/Quelle: Galileo Project

Avi Loeb ist Gründungsdirektor der „Black Hole Initiative“ der Harvard University, Direktor des „Institute for Theory and Computation“ am „Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics“ und ehemaliger Vorsitzender der Astronomie-Abteilung der Harvard University (2011-2020). Er ist Vorsitzender des Beirats des „Breakthrough Starshot-Projekts“ und ehemaliges Mitglied des „President’s Council of Science and Technology“ sowie ehemaliger Vorsitzender des „Board on Physics and Astronomy of the National Academies“. Er ist Bestsellerautor von „Außerirdisch: Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten“ und Co-Autor des Lehrbuchs „Life in the Cosmos“.




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