Studie: Bisherige Suchen könnten erdgroße Exoplaneten um unerkannte Doppelsterne übersehen haben

Geschrieben am 13.07.2021
von Andreas Müller

Lesezeit: ca. 3 Minuten Mountain View (USA) – Eine neuen Analyse von Doppelsternsystemen legt nahe, dass es viel mehr erdgroße Planeten geben könnte, als bislang angenommen und legt nahe, dass Himmelsdurchmusterungen nach Exoplaneten fast die Hälfte der erdgroßen Planeten um solche Sterne übersehen haben könnten. Wie das Team um Katie Lester und Steve Howell vom Ames Research Center der […]Lesezeit: ca. 3 Minuten
Künstlerische Darstellung eines erdartigen Planeten in einem Doppelsternsystem (Illu.). Copyright: International Gemini Observatory/NOIRLab/NSF/AURA/J. da Silva (Spaceengine)

Künstlerische Darstellung eines erdgroßen Planeten in einem Doppelsternsystem (Illu.).
Copyright: International Gemini Observatory/NOIRLab/NSF/AURA/J. da Silva (Spaceengine)

Mountain View (USA) – Eine neuen Analyse von Doppelsternsystemen legt nahe, dass es viel mehr erdgroße Planeten geben könnte, als bislang angenommen und legt nahe, dass Himmelsdurchmusterungen nach Exoplaneten fast die Hälfte der erdgroßen Planeten um solche Sterne übersehen haben könnten.

Wie das Team um Katie Lester und Steve Howell vom Ames Research Center der NASA vorab via Arxiv.org berichtet, haben sie die Zwillingsteleskope des Gemini-Observatoriums, genutzt, um festzustellen, dass viele der bislang etwa vom NASA-Weltraumteleskop „TESS“ identifizierten planetenbeherbergenden Sterne tatsächlich Sternpaare, sogenannte Doppelsterne, sind.

Nach der Untersuchung dieser Doppelsterne kommen die Astronomen und Astronominnen nun zu dem Schluss, dass erdgroße Planeten in vielen derartiger Doppelsternsysteme bei der Planetensuche mit Hilfe der sogenannten Transitmethode unentdeckt bleiben könnten

Hintergrund
Etwas mehr als 4000 Planeten, die um Sterne außerhalb unseres Sonnensystems kreisen, sind bisher bekannt. Von diesen sogenannten Exoplaneten sind etwa 96 Prozent deutlich größer als unsere Erde, die meisten davon eher vergleichbar mit den Abmessungen der Gasriesen Neptun oder Jupiter. Allerdings dürfte dieser Prozentsatz nicht die wirklichen Verhältnisse im Weltall widerspiegeln, denn große Planeten lassen sich deutlich leichter aufspüren als kleine. Doch gerade die kleinen Welten faszinieren, wecken sie doch die Hoffnung, irgendwo im All erdähnliche Planeten zu finden.

Ist der Orbit eines extrasolaren Planeten so ausgerichtet, dass er von der Erde aus gesehen vor seinem Stern entlangzieht, so verdunkelt der Planet den Stern auf charakteristische Weise. Diesen kurzzeitigen, typischerweise nur wenige Stunden dauernden Vorgang nennt man einen Transit. Aus der Häufigkeit der periodischen Verdunklungen schließen Astronomen auf die Länge des Jahres auf dem Planeten und aus der Tiefe der Verdunklung auf das Größenverhältnis zwischen Planet und Stern. Der neue Algorithmus von Heller, Rodenbeck und Hippke sucht nicht wie frühere Standardalgorithmen nach abrupten Helligkeitsabfällen, sondern nach der charakteristischen, graduellen Verdunklung. Dadurch ist der neue Transit-Suchalgorithmus entscheidend sensibler für besonders kleine Planeten von der Größe der Erde. Copyright: NASA/SDO (Sonne), MPS/René Heller

Ist der Orbit eines extrasolaren Planeten so ausgerichtet, dass er von der Erde aus gesehen vor seinem Stern entlangzieht, so verdunkelt der Planet den Stern auf charakteristische Weise. Diesen kurzzeitigen, typischerweise nur wenige Stunden dauernden Vorgang nennt man einen Transit. Aus der Häufigkeit der periodischen Verdunklungen schließen Astronomen auf die Länge des Jahres auf dem Planeten und aus der Tiefe der Verdunklung auf das Größenverhältnis zwischen Planet und Stern. Der neue Algorithmus von Heller, Rodenbeck und Hippke sucht nicht wie frühere Standardalgorithmen nach abrupten Helligkeitsabfällen, sondern nach der charakteristischen, graduellen Verdunklung. Dadurch ist der neue Transit-Suchalgorithmus entscheidend sensibler für besonders kleine Planeten von der Größe der Erde.
Copyright: NASA/SDO (Sonne), MPS/René Heller

Üblicherweise nutzen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in ihrer Suche nach fernen Welten die sogenannte Transit-Methode, mit der sie Sterne gezielt nach periodisch wiederkehrenden Helligkeitsabfällen durchforsten. Jedes Mal, wenn ein Exoplanet auf seiner Umlaufbahn von der Erde aus gesehen vor seinem Stern vorüberzieht, verdunkelt er ihn leicht. Der Stern erscheint dem Betrachter in dieser Zeit – typischerweise für ein paar Stunden – weniger hell.
Quelle: MPS

Wie die aktuelle Studie nun zeigt, erschwert es das Licht des zweiten Sterns, die Veränderungen im Licht des direkten Wirtssterns eines Planeten bei dessen Transit zu erkennen. Tatsächlich können physikalische Sternenpaare, die eng beieinander liegen, mit Einzelsternen verwechselt werden – es sei denn, sie werden mit extrem hoher Auflösung beobachtet.

Um diese Situation genauer zu untersuchen, nutzten die Forschenden aktuell beide Gemini-Teleskope, um eine Probe von Exoplaneten-Wirtssternen bis ins kleinste Detail zu untersuchen. Mit einer Technik namens „Speckle Imaging“ machten sich die Astronomen auf die Suche nach unentdeckten stellaren Begleitern. Mit den Alopeke- und Zorro-Instrumenten an den Gemini-Nord- und -Südteleskopen in Chile und Hawaii beobachtete das Team Hunderte von nahen Sternen, die TESS zuvor als potenzielle Exoplanetenwirte identifiziert hatte.

Dabei entdeckten sie, dass 73 dieser Sterne in Wirklichkeit Doppelsternsysteme sind, obwohl sie zuvor als einzelne Lichtpunkte erschienen waren: „Mit den 8,1-Meter-Teleskopen des Gemini-Observatoriums haben wir extrem hochauflösende Bilder von Exoplaneten-Wirtssternen erhalten und stellare Begleiter in sehr kleinen Abständen entdeckt“, erläutert Lester das Ergebnis.

Nach der Identifizierung der Doppelsterne verglich das Team die Größen der entdeckten Planeten in den Doppelsternsystemen mit denen in Einzelsternsystemen. Dabei stellten die Astronominnen und Astronomen nun fest, dass TESS sowohl große als auch kleine Exoplaneten fand, die einzelne Sterne umkreisen, aber nur große Planeten in Doppelsternsystemen.

Dieses Ergebnis spricht nun dafür, dass eine Population von erdgroßen Planeten in Doppelsystemen lauert, die mit der Transitmethode, die von TESS und vielen anderen Exoplanetenteleskopen verwendet wird, unentdeckt bleiben würde.

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Schon zuvor hatten einige Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen vermutet, dass bei Transitsuchen kleine Planeten in Doppelsternsystemen übersehen werden könnten, doch die neue Studie liefert für diese Befürchtung nun erstmals auf Beobachtungen gestützte Daten und zeigt zugleich, welche Planetengrößen betroffen sind. „Wir haben gezeigt, dass es in Doppelsystemen schwieriger ist, erdgroße Planeten zu finden, weil kleine Planeten im Licht ihrer beiden Elternsterne leicht verloren gehen“, so Lester. „Ihre Transite werden durch das Licht des Begleitsterns sozusagen ‚ausgefüllt‘“, fügt Howell hinzu „Da sich etwa 50 Prozent der Sterne in Doppelsternsystemen befinden, könnten wir diese Entdeckungen – und damit auch die Chance, viele erdähnliche Planeten zu studieren – verpassen.“

Das Ergebnis unterstreiche die Notwendigkeit eine Vielzahl von Beobachtungstechniken anwenden zu müssen, bevor man zu dem Schluss komme, dass ein bestimmtes Doppelsternsystem keine erdähnlichen Planeten habe. Um dies alles herauszufinden, brauche es nun mehr Beobachtungen mit anderen Methoden und Technologien.

Im Rahmen ihrer Studie analysierten Lester und ihre Kollegen auch, wie weit die Sterne in den Doppelsternsystemen auseinanderliegen, in denen TESS große Planeten entdeckt hatte. Hierbei zeigte sich, dass jene Sterne in den Exoplaneten-beherbergenden Doppelsternsystemen in der Regel weiter voneinander entfernt waren als Doppelsterne, um die keine Planeten bekannt sind. „Dies könnte darauf hindeuten, dass sich um Sterne, die sehr enge stellare Begleiter haben, gar keine Planeten bilden“, so die Forschenden abschließend.




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Recherchequellen: NASA, NOIRLab

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